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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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Familiengrab auch nur eines Blickes zu würdigen, schob sie sich durch das Friedhofstor hinaus auf die Straße.
    Es war wieder unangemessen warm, und als sie sich dem Seitentor näherte, das in ihren Garten führte, begann sie ihren kurzen Ausflug zu bereuen. Ihr Herz schlug viel zu schnell, ihr Schädel brummte, und ihre geschwollenen Fußgelenke schmerzten. Sie taumelte über den Rasen, brach auf der Bank unter der Magnolie zusammen und wischte sich über das Gesicht.
    Sie hätte zu gern eine Tasse Tee gehabt, doch da Vera Cornish nirgendwo zu sehen war und sie nicht die Energie hatte, nach ihr zu suchen, gab sie den Gedanken daran auf. Zu vieleunruhige Nächte und zu viele Erinnerungen hatten ihren Tribut gefordert, und sie musste unwillkürlich über die Ironie lächeln, dass Dr. Williams ihr gesagt hatte, ihr Blutdruck sei zu hoch.
    Sie betrachtete die frisch umgegrabene Erde und das gepflegte Holzkreuz, das Bess’ letzte Ruhestätte markierte, und kehrte in Gedanken zu dem kleinen Friedhof in Tasmanien zurück und einem weiteren Todesfall. Auch an jenem Tag war es erstickend heiß gewesen, das wusste sie noch.
    Im Februar des Jahres 1903 hatte Clarice das kleine Haus, das sie gemietet hatte, längst aufgegeben und war zu Eunice gezogen, damit sie ihr mit der bezaubernden Lorelei helfen konnte. Der sich verschlechternde Gesundheitszustand ihrer Schwester bedeutete, dass sie fast bettlägerig war, doch selbst an ihren schlimmsten Tagen beharrte sie darauf, eine Weile mit dem Kind zu verbringen, und es war deutlich, dass beide von diesen kurzen Besuchen profitierten. Eine enge Bindung hatte sich zwischen ihnen ergeben, und Clarice war dankbar, dass Lorelei ihrer Großmutter so viel Freude bereitete, denn allein die Begeisterung über das kleine Mädchen hielt sie am Leben.
    Trotz ihrer Liebe zu Lorelei hatte Clarice schon bald festgestellt, dass es nicht leicht war, ein Haus mit Gwen zu teilen, die es wie ein Hotel betrachtete und nur wenig Interesse an der Gesundheit ihrer Mutter oder dem Wohlergehen ihres Kindes bekundete. Ihre Pferde waren ihr wichtiger, und sie war zum Glück oft unterwegs, um an Springturnieren teilzunehmen.
    Doch diese länger währenden Abwesenheiten führten zu widerwärtigen Affären, und Clarice musste ihren Ekel hinunterschlucken, wenn Gwen ihnen ein ums andere Mal dreist ihre neueste Eroberung präsentierte, für gewöhnlich ein Wandergehilfe oder Stallbursche. Gwen würde sich nie ändern, und solange ihre Schwester Eunice am Leben war, würde Clarice ihre Meinung für sich behalten und sich alle erdenkliche Mühe geben, Lorelei anständig zu erziehen.
    Loreleis neunter Geburtstag war in der Woche zuvor mit einer kleinen Teeparty für ihre Schulfreundinnen begangen worden. Der Zustand ihres Herzens schien sich zu verbessern, und Clarice hatte das auf eine gesunde Ernährung zurückgeführt, viel Sonne und vorsichtige Leibesübungen. Doch es gab andere, besorgniserregendere Dinge, die nie ausreichend geklärt worden waren.
    Das Kind war zu still, verschwand häufig stundenlang am Strand oder versteckte sich in einem der Ställe, wenn Gwen zu Hause war. Dann gab es die blauen Flecken, von denen Lorelei hartnäckig behauptete, es seien die Folgen von Stürzen oder rauen Spielen. Das hatte Clarice nicht überzeugt, denn diese Blutergüsse tauchten nur auf, nachdem das Kind mit Gwen allein gelassen worden war.
    Sie hatte versucht, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, traf jedoch auf eine Wand des Schweigens, und ihr blieb nichts anderes übrig, als Lorelei noch genauer im Auge zu behalten. Auch das hatte sich als beinahe unmöglich erwiesen, als Eunice ins Krankenhaus kam. Und obwohl Primmy geholfen hatte, wo sie nur konnte, war Gwen oft die Einzige, bei der sie Lorelei lassen konnte.
    Clarice war zu dem Haus im Busch zurückgekehrt, erschöpft nach einem langen Tag neben dem Bett ihrer Schwester. Eunice baute rasch ab, und bevor sie in einen erschöpften Schlaf gefallen war, hatte sie darum gebeten, Lorelei und Gwen sollten sie besuchen. Doch als Clarice in die Küche trat, war von beiden keine Spur zu sehen, nur eine Notiz neben dem Kessel, die sie darüber in Kenntnis setzte, dass Gwen die nächsten fünf Tage fort sei. Sie ging davon aus, dass Loreleiim Hof war, und machte sich daran, eine Tasse Tee aufzubrühen.
    Ihre Hand hielt inne, als sie den herzzerreißenden Schluchzer vernahm. Sie fand das kleine Mädchen, das elend unter dem Tisch kauerte, und Clarice musste es praktisch

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