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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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darunter hervorlocken. Lorelei tauchte weinend, zitternd und nach Atem ringend auf.
    Entsetzt starrte Clarice auf die Haarbüschel, die aus der rohen Kopfhaut herausragten. Wut stieg in ihr auf beim Anblick der dunklen Prellungen an den zerbrechlichen Handgelenken und dem Blut, das an Wunden gerann, die offenbar von einer scharfen Klinge herrührten. Sie schloss Lorelei in die Arme und weinte. Weinte über die Grausamkeit einer Mutter, die zu so etwas fähig war, vergoss heiße Tränen um ihre Schwester, die bereits auf ihrer letzten Reise war, und ihr brach das Herz über den Schmerz und das Leid des kleinen Mädchens, das sie zu beschützen versäumt hatte. Sie hätte sie niemals mit Gwen allein lassen dürfen.
    Es hatte lange gedauert, die Atmung des Kindes zu beruhigen, die Wunden zu waschen und den an dem schönen Haar angerichteten Schaden so gut es ging zu beheben. Eunice durfte sie nicht so sehen, es wäre zu leidvoll. Daher brachte sie Lorelei zu Primmys Haus ein Stück weiter die Straße hinauf. Primmy sprach sanft auf die Kleine ein und machte viel Aufhebens, suchte ihr einen hübschen Schal, den sie unter dem Rüschenhut tragen konnte, und Clarice war gegangen, zögernd zwar, aber sicher, dass Lorelei außer Gefahr war.
    Eunice war nie mehr aus dem Schlaf aufgewacht und hatte das Zeitliche gesegnet, als die Morgendämmerung den Himmel erhellte. Die Jahre des Leides und der Schande hatten schließlich ihren Tribut gefordert.
    Clarice leitete die Beerdigung in die Wege und kehrte zum Haus zurück, um sich der verstörten Lorelei anzunehmen, um ihre geliebte Schwester zu trauern und auf Gwen zu warten.
    Der Tag der Beisetzung kam, und Gwen war noch nicht zurückgekehrt. Clarice’ Trauer verstärkte sich, als deutlich wurde, dass Eunice in den Jahren in Tasmanien nur wenige Freunde gefunden hatte, denn die einzigen Trauernden, die an dem kurzen Gedenkgottesdienst teilnahmen, waren ihr Arzt, ihr Anwalt und Primmy.
    Lorelei hatte gebettelt, mitzukommen, und Clarice hatte den Kompromiss geschlossen, dass sie in der Kutsche am Kirchentor bleiben durfte. So jung sollte man nicht an einer Beerdigung teilnehmen, und das Kind war noch zu traumatisiert von allem, was geschehen war, um sich einer solchen Qual zu stellen.
    Zwei Tage darauf verkündete das Schlagen des Fliegengitters Gwens Ankunft, und Clarice, die nicht wusste, dass Lorelei mit ihrer Puppe unter dem Tisch spielte, wappnete sich für das, was kommen würde. »Wo warst du?«, fragte sie ihre Nichte kühl.
    »Das geht dich nichts an.« Gwen nahm sich eine Tasse Tee und begann, sich ein Sandwich zu machen.
    »Lass das«, fuhr Clarice sie an, »und setz dich.«
    Gwen musste etwas an ihrem Tonfall aufgefallen sein, denn sie plumpste auf einen Küchenstuhl und verschränkte die Arme wie ein bockiges Kind.
    »Es fällt mir nicht leicht, es zu sagen, Gwen. Deine Mutter ist tot.«
    Ein eigenartiger Funke glitzerte in ihren Augen, wurde aber rasch gelöscht. »Damit war ja zu rechnen.« Gwen zuckte mit den Schultern. »Wann ist die Beerdigung?«
    »Vor zwei Tagen.«
    Gwen verdaute das, ohne den Blick von Clarice abzuwenden. »Das ging schnell«, murmelte sie. »Ich war nur eine Woche weg.«
    »Es waren zehn Tage«, sagte Clarice barsch. »Sie ist an dem Tag gestorben, an dem du fortgegangen bist, und ich musste mit allem allein zurechtkommen.«
    »Du Arme.« In ihrem Tonfall lag unverhohlener Hohn. Sie stand auf, um sich wieder um das Sandwich zu kümmern. »Wann wird das Testament eröffnet?«
    »Das war gestern.« Clarice faltete ihre Hände auf dem Tisch und bereitete sich auf den Sturm vor, der ausbrechen würde.
    Gwen kaute auf dem Sandwich und schaute Clarice forschend an. »Sie kann nicht viel hinterlassen haben. Wir haben nicht gerade im Luxus gelebt, seit sie Daddy verlassen hat. Allerdings hatte sie ein paar gute Schmuckstücke, die wahrscheinlich etwas wert sind.«
    Clarice holte tief Luft. »Deine Mutter hat ihren Schmuck mir hinterlassen«, sagte sie. »Die Stücke gehörten zur Sammlung meiner Großmutter und werden an die nächste Generation weitergegeben, wenn ich sterbe. Zwei kleine Hinterlassenschaften gab es – eine an Primmy und eine an eine Stiftung für Waisenkinder.« Sie hielt ihren Blick fest auf Gwen gerichtet. »Dieses Haus und alles, was darin ist, gehört dir, einschließlich der Pferde und der Vorräte der Farm, und sie hat ein Treuhandvermögen eingerichtet, aus dem du ein jährliches Einkommen beziehst, aber der Großteil ihres

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