Himmel über Tasmanien
bestätigte sich ihr Verdacht; hinterElizas Lächeln lag tatsächlich eine Härte, die Lulu misstrauisch machte.
Eliza überging Lulu unverhohlen und wandte sich an Dolly. »Wir wollen die Kerle ihrer Arbeit überlassen und eine Tasse Tee zusammen trinken. Ich möchte den ganzen Klatsch aus England hören, erfahren, was gerade in Mode ist und ob Sie tatsächlich die königliche Familie getroffen haben.« Sie schaute auf Dollys Füße, bevor sie sich bei ihr unterhakte. »Woher haben Sie denn die tollen Schuhe? Ich liebe Schuhe, Sie auch? Sie kommen bei mir nach Schokolade direkt an zweiter Stelle, und von beidem kann ich nie genug kriegen.«
Lulu sah ihnen nach, als sie Arm in Arm zum Haus schlenderten und wie Kakadus schnatterten. Anscheinend hatte man sie vergessen – Dolly war Elizas Zauber erlegen wie alle anderen auch.
Sie wandte sich ab und merkte, dass Joe sie beobachtete. Ihre Blicke trafen sich, und sie senkte den Kopf, verwirrt von der Botschaft, die seine Augen aussandten. Die Anziehungskraft zwischen ihnen war in den letzten beiden Wochen stärker geworden, und heute wäre beinahe etwas Ernsteres daraus geworden. Solche Gefühle waren gefährlich. Sie war nicht für flüchtige Affären zu haben und wusste instinktiv, dass er genauso empfand. Ihr Leben war in England, und seines fand hier statt – wahrscheinlich zusammen mit der gerissenen, großzügigen Eliza, die den Segen seiner Mutter hatte. Die Erkenntnis schmerzte, als sie sich eingestehen musste, dass sie eifersüchtig war.
Der Ausflug nach Hobart würde alles in allem drei Tage umfassen und bedeuten, dass das Gehöft Molly und einem Zureiter überlassen wäre. Damit wäre die Sicherheit der wertvollen Pferde, die zurückblieben, nicht mehr gewährleistet. Daherwar Joe dankbar, dass Eliza zusätzliche Männer mitgebracht hatte.
Er hatte darüber nachgedacht, wie so viele Menschen am Küchentisch seiner Mutter unterzubringen wären, und ging zum alten Küchenhaus, um es sich anzusehen. Es war zur Zeit seines Großvaters erbaut worden und hatte den Männern gedient, die hier Jahrzehnte lang arbeiteten. Doch als es mit dem Betrieb abwärtsging, war das Küchenhaus verfallen. Also wies er die Männer an, es wieder herzurichten, während er die Bänke und einen Tisch reparierte und die Wasserversorgung in Ordnung brachte.
Er stand in der Tür und lächelte, als die Männer sich über die gefüllten Teller hermachten, die Dianne vom Haus herübergebracht hatte. Der Klang von Stimmen, die sich wieder zu den offenen Balken des großen Daches erhoben, weckte glückliche Erinnerungen, und obwohl es hier noch viel zu tun gab, erfüllte das Küchenhaus für heute Abend seinen Zweck.
Müde, aber beschwingt von den Ereignissen des Tages begab er sich zum Haupthaus zurück, trat sich die schmutzigen Stiefel von den Füßen, stellte sich in seinen nicht minder dreckigen Socken auf die Veranda und schaute zu den Sternen. Die Nacht war klar, was Frost verhieß, aber keinen Regen – und solange der Boden nicht gefror, hatte er die Chance, in Hobart genug Preisgeld zu gewinnen, um Eliza auszuzahlen. Ihre Großzügigkeit hatte ihn verblüfft, aber es wäre ihm nicht recht, solch kostspielige Geschenke anzunehmen, und seien sie auch noch so gut gemeint. Eliza war jung und leicht zu beeindrucken, und sie hatte ein kindisches Vergnügen daran, andere zu beschenken. Sie genoss es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, und durchlebte wahrscheinlich gerade eine Phase der Heldenverehrung – wenngleich der Grund dafür ihm ein Rätsel war –, und er wollte keine Missverständnisse aufkommen lassen.
Seine Gedanken kehrten wieder zu Lulu und dem Kuss zurück, den sie nie ausgetauscht hatten. Er schloss die Augen und stellte sich seine Lippen auf ihrem schönen Mund vor, seine Hände umfassten ihren Kopf, die Finger in ihrem prächtigen Haar vergraben, während sie sich seiner Umarmung überließ.
Der heisere Schrei einer Schleiereule riss ihn aus seinen Träumen. Mit schiefem Lächeln sah er zu, wie der gespenstische Vogel über den dunklen Himmel zog. Je die Liebe einer Frau wie Lulu zu besitzen war ebenso ein Hirngespinst wie der Glaube der Aborigines, die Eule mit dem weißen Gesicht sei ein Zaubervogel, der Botschaften von den Geistern der Ahnen brachte, wenn ein bedeutsames Ereignis bevorstand. Sie war vielleicht bereit gewesen, ihn zu küssen, aber es war wohl eher Neugier ihrerseits – oder noch wahrscheinlicher ein Augenblick der Tollheit, den sie
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