Himmel über Tasmanien
Molly fummelte an ihrer Schürze herum. »DerMann, den ich vor vielen Jahren kennengelernt habe, gehörte zu denen, die kein Blatt vor den Mund nehmen, und Eliza zufolge hat er sich nicht verändert.«
Joe überlief ein kalter Schauer böser Vorahnung. »Carmichael ist der Dreh- und Angelpunkt, und solange wir nicht wissen, wer er ist, kann man ihm nicht vertrauen. Ab sofort müssen wir gut auf Lulu achtgeben, bis wir ihn ausfindig gemacht haben, aber du sagst ihr nichts.«
In Elizas Augen sah er etwas aufblitzen, das ihm nicht gefiel, konnte es jedoch nicht deuten. »Ich hoffe, ich kann mich darauf verlassen, dass ihr es für euch behaltet«, sagte er bestimmt.
»Wenn du meinst«, erwiderte Molly, »aber ich mag keine Geheimnisse – hab ich noch nie gemocht.«
Der Mann, der sich Carmichael nannte, war den ganzen Tag unterwegs gewesen. Er hatte den Geländewagen vom Festland herübergebracht, und es hatte sich herausgestellt, dass es eine kluge Entscheidung gewesen war, denn sie erlaubte ihm, näher an Lulu Pearson zu bleiben und ein richtiges Gespür für sie zu bekommen. Er hatte sie auf der Klippe beobachtet und war ihr zum Haus im Busch gefolgt, und in den Wochen, seit sie in Tasmanien war, hatte er sich in seinem Vorhaben bestätigt gefühlt.
Die Fahrt zurück nach Hobart zur Elwick-Rennbahn war lang, doch er hatte jede Menge Zeit, und es würde nicht schaden, wenn er sein verletztes Knie ein wenig ausruhte. Er nahm einen Umweg über Poatina, um einen Blick auf Gwen Coles Wohnung zu werfen. Dabei wollte er ihr nicht Auge in Auge gegenübertreten – ihn trieb die schlichte Neugier, der Frau ein Gesicht zu geben, die er nur als einen Namen auf einem Stück Papier kannte.
Er parkte unter einem weit ausladenden Baum und ging steif den schmalen Feldweg entlang, lehnte sich an einen Zaunund sah zu, wie sie die Pferde pflegte. Das kleine Anwesen umfasste sechzig Morgen Land in einem schönen Tal mit guten Koppeln für die ansehnlichen Pferde, die dort grasten. Aber Haus und Garten waren ungepflegt und vernachlässigt, die Hundehütten leer, die Hühnerställe mit Schnüren und Drähten zusammengehalten. Es war deutlich zu sehen, dass kein Mann zugegen war – und wenn, dann war er ein fauler Sack.
Während er sie durch das Blattwerk hindurch beobachtete, kam er zu dem Schluss, dass ihre unleugbare Leidenschaft für Pferde ihr einziger Vorzug war, doch ihr Anblick ließ ihn kalt, und er kehrte zum Wagen zurück.
Er hatte Poatina längst hinter sich gelassen und die holprige Strecke bewältigt, die am Ostufer des Great Lake entlangführte, war dann nach Süden gefahren und jetzt kurz vor Bothwell. Dort würde er übernachten und am Morgen früh aufbrechen.
Er legte die Stirn in Falten, während er durch die Dunkelheit fuhr, und beschäftigte sich in Gedanken mit dem Plan, den er so lange schon ausheckte. Bisher war alles gut gelaufen – besser, als er zu hoffen gewagt hatte. Doch es gab immer unvorhergesehene Probleme, die es zu überwinden galt – und er hatte so ein Gefühl, dass Lorelei Pearson nicht bereitwillig mitarbeiten würde. Von größter Wichtigkeit war, dass er Hobart vor ihr erreichte, damit er alles vorbereitet und alle Eventualitäten berücksichtigt hatte.
13
D er Konvoi aus neuen Transportern und Anhängern war vor dem Morgengrauen aufgebrochen und seither stetig nach Süden gefahren, und obwohl sie sich am Abend zuvor geschworen hatte, alle Gefühle für ihn beiseitezulassen, war Lulu sich Joes Gegenwart nur allzu bewusst, denn er saß direkt neben ihr.
Bob und ein anderer Stallbursche hatten hinten auf der Ladefläche mit dem Rücken zum Heckfenster Platz genommen, umgeben von Sätteln, Taschen, Zaumzeug und Ersatzhufeisen. Dolly hatte sich entschieden, ihre neue Freundin Eliza zu begleiten, die den zweiten Geländewagen fuhr, der ebenfalls mit Männern und Gepäck beladen war. Ocean Child und Moonbeam fuhren stilvoll neben den Pferden Danny Boy und Friar’s Lass, die nach Hobart gehörten, in den beiden Pferdeanhängern. Joe hatte dafür gesorgt, dass sie alle bei den Hobart-Besitzern wohnten, wo die vier Pferde nach ihrer Reise Auslauf hatten, damit sie für ihre Rennen am Samstag frisch waren.
Lulu kurbelte das Fenster herunter und betrachtete ehrfürchtig die Landschaft. Ihre Kindheit lag in einer Zeit, bevor Autos und Lastwagen zum Allgemeingut gehörten, als Vergnügungsreisen selten waren und das Pferd das einzige Transportmittel an Land war. Daher war sie nie über die
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