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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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vorbei war, hatten wir in den wenigen Stunden mehr Männer verloren als in den neun Monaten des Gallipoli-Feldzugs.«
    Lulu wusste nicht, was sie sagen sollte, denn es konnte keine Worte geben, die über einen solchen Schmerz hinwegtrösteten. Sie hatte Maurice über die Unfähigkeit der Generäle reden hören, die Tausende schlecht ausgebildeter Jungen aus stinkenden, mit Ratten verseuchten Gräben hinaus in die Schlacht geschickt hatten, um sich vor Stacheldraht wiederzufinden und von Kugeln dahingemäht zu werden. Seine Erlebnisse hatten ihn noch lange begleitet, nachdem er heimgekehrt war, und sie vermutete, dass es Joe genauso ging. Dennoch hatte es den Anschein, als hätte Joe mit diesem Krieg abgeschlossen, anders als der arme Maurice, der am Ende hatte feststellen müssen, dass er die Erinnerungen nicht mehr ertragen konnte.
    Sie kehrte aus ihren Gedanken zurück, als Joe seine Geschichte wieder aufnahm.
    »Fromelles ist flach und konturlos wie ein Pfannkuchen. Wir wurden im Niemandsland erwischt, das feindliche Feuer traf uns aus allen Richtungen. Nirgendwo konnte man sich verstecken. Unser Hauptmann war ein Junge aus Queensland. Er war erst in den Zwanzigern, hatte aber Mumm für zehn. Er glaubte daran, seinen Zug anführen zu können, und wolltenicht meilenweit von der Frontlinie entfernt in Sicherheit sitzen.«
    Lulu sah, wie sich sein Gesichtsausdruck ständig veränderte, während er sprach, und wusste, dass sich diese Stunden für immer in sein Gedächtnis eingebrannt hatten. Aber sie wusste auch, dass er es als eine gewisse Erleichterung empfand, darüber reden zu können.
    »Es regnete, und wir saßen in der Falle, die Hälfte von uns war bereits tot, Männer schrien am Stacheldraht und in dem stinkenden Schlamm um Hilfe. Mörserbeschuss riss uns auseinander und bildete riesige Krater, die sich rasch mit Wasser füllten, und das Maschinengewehrfeuer mähte uns um wie Kegel. Der Hauptmann und ich wurden etwa zur gleichen Zeit getroffen. Ich packte ihn am Bein, und wir fielen in einen der Krater.«
    Schaudernd holte er Luft, und seine Knöchel wurden weiß, als er das Lenkrad fester packte. »Ich wusste, dass mein halbes Gesicht weg war, aber eigenartigerweise tat es nicht weh – jedenfalls noch nicht. Aber ich wusste auch, dass ich uns dort hinausschaffen musste, sonst würden wir in Stücke gesprengt.«
    Er lächelte schief. »Noch nie im Leben hatte ich solche Angst, das gebe ich gern zu, aber das Entsetzen verlieh mir die Kraft, ihn auf meinen Rücken zu nehmen und ins Feldlazarett hinter unseren Linien zu bringen.«
    »Das war unglaublich tapfer«, flüsterte Lulu.
    Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und zuckte mit den Schultern. »Tausend Männer hätten dasselbe gemacht. An dem Tag gab es viele Heldentaten, die viel größer waren als meine – aber ich war zu Tode erschrocken und handelte fast ohne nachzudenken.«
    »Hat der Hauptmann überlebt?«
    »Sie sagten mir, er sei bereits tot gewesen, als ich den Graben hinabrutschte und vor ihren Füßen in Ohnmacht fiel.« Erseufzte tief. »Das war für uns beide das Ende des Krieges, aber ich bin im Vergleich zu dem armen Jungen noch glimpflich davongekommen.«
    »Armer Joe«, murmelte sie und fuhr leicht mit den Fingern über seine Wange.
    Er zuckte zurück, ergriff ihre Hand und führte sie von seinem Gesicht zu ihrem Schoß. »Bitte, tun Sie das nicht. Ihr Mitleid ist das Letzte, was ich brauche.«
    Instinktiv rückte sie näher an ihn heran, um einen Kuss auf das warme, vernarbte Fleisch zu drücken. »Es ist kein Mitleid, Joe«, flüsterte sie an seiner Wange, »sondern Stolz, Dankbarkeit und Liebe für das, was du bist.« Sie zog sich zurück, denn ihr wurde klar, dass ihre Worte von Herzen gekommen waren und es zu spät war, sie zurückzunehmen. »Tut mir leid«, sagte sie, »ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.«
    Schüchtern lächelnd schaute er zu ihr hinüber. »Ich glaube, du hast dich selbst in Verlegenheit gebracht«, spöttelte er. »Was mich betrifft, mir hat es ziemlich gut gefallen.«
    Lulu errötete und senkte den Blick. Seine gebräunte schwielige Hand bedeckte ihre noch immer, ihre Finger verschlangen sich ineinander, Wärme und Kraft strömten wie Feuer durch sie hindurch. Ihn zu lieben wäre so leicht, so einfach, den Empfindungen nachzugeben, die er in ihr weckte. Doch Liebe und Leidenschaft waren oft trügerisch und nicht immer voneinander zu unterscheiden, und sie wollte bei Joe nicht denselben Fehler machen

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