Himmel über Tasmanien
begeben, aber von ihm war keine Spur zu sehen, und sie musste hinnehmen, dass er nach Galway House gefahren war.
Sie hatte auf der Koppel gestanden und den Stuten mit ihren Fohlen zugesehen, denn sie wollte nicht gern ins Haus zurück und den Tag beginnen. Joes Rat war klug gewesen – er hatte sie auf jeden Fall dazu gebracht, innezuhalten und nachzudenken –, und obwohl ihre Gefühle in Aufruhr waren, wusste sie, dass sie ihren Vater kennenlernen musste, ungeachtet der Folgen.
Es war beinahe Mittag, und sie hatte sich vor über drei Stunden mit Dolly auf den Stufen vor dem Hotel von ihren Gastgebern verabschiedet. Das Wetter war über Nacht umgeschlagen, und obwohl die Sonne schien, wehte ein kühler Wind von der Tasmanischen See herüber.
»Was machen wir jetzt?« Lulu steckte die Hände in die Manteltaschen und verbarg ihre Nase im Kragen, als sie aus dem Hotel am Anleger traten. »Die Warterei ist unerträglich. Der halbe Tag ist schon um, und ich habe noch nichts von Peter gehört.«
»Du machst dich noch verrückt, wenn du hier herumhängst. Komm, wir erforschen Sullivan’s Cove und sehen zu, ob wir irgendwo zu Mittag essen und vielleicht ein bisschen einkaufen gehen können.«
»Dazu bin ich wirklich nicht in der Stimmung«, murmelte sie, »und vielleicht ruft Peter an, während wir draußensind. Er wird glauben, dass ich meine Meinung geändert habe.« Die Zweifel hatten zugenommen, je länger Peters Schweigen andauerte. »Und wenn er nun gar nicht anruft? Wenn …«
»Hör auf damit.« Dolly legte ihr einen Arm um die Schultern. »Komm schon, Schätzchen, quäle dich nicht so. Wenn er anruft, während wir unterwegs sind, wird das Hotel eine Nachricht entgegennehmen, und ich rechne damit, dass diese Verzögerung nur eingetreten ist, weil er darüber nachdenken muss, was er da ins Rollen gebracht hat und wie mit den Folgen umzugehen ist. Wahrscheinlich war es ein Schock für seinen Vater – schließlich ist es nicht alltäglich, wenn ein Sohn herausbekommt, dass man eine Affäre hatte und er einem dann auch noch die Tochter vorsetzt, die man sechsundzwanzig Jahre geheim gehalten hat.«
»Wahrscheinlich«, seufzte Lulu. Sie schaute über den gepflasterten Platz zu den Zollhäusern, Regierungsgebäuden und Warenlagern aus der Zeit Edwards VII. und suchte vergeblich nach Peter. »Und wenn Joe nun recht hatte?« Sie wandte sich wieder an Dolly, denn sie brauchte Bestätigung und Beratung. »Wenn er sich nun weigert, mich zu sehen, oder Peter den weiteren Umgang mit mir verbietet – was dann?«
»Kommt Zeit, kommt Rat«, antwortete Dolly, »aber wenn du so weitermachst, wirst du krank.«
Lulu holte tief Luft und versuchte, sich zu fangen. Dolly hatte recht, sie musste ihre wilde Phantasie im Zaum halten. »Dann komm«, sagte sie nachdrücklich, »aber ich will nicht allzu lange wegbleiben.«
Peter hatte am Abend zuvor die Rennbahn zu spät verlassen, um seinen Vater noch zu treffen, und hatte geplant, früh in die Klinik zu gehen, damit er noch mit ihm sprechen konnte, bevor die Behandlungen anfingen. Doch nach einer unruhigenNacht hatte er verschlafen und war erst in der Klinik eingetroffen, als sein Vater bereits Physiotherapie hatte.
Der Vormittag zog sich in die Länge, und sein Missmut wuchs. Frank hatte sich geweigert, ihn zu sehen, bevor er sein Dominospiel beendet hatte, und dann darauf bestanden, dass Peter sich ihm und seinen neuen Freunden zu einem längeren Mittagessen im Speisesaal anschloss. Fast schien es unmöglich, je wieder mit dem alten Mann unter vier Augen zu sprechen, und Peter hatte, brennend vor Ungeduld, den Speisesaal verlassen, um im Garten eine Zigarette zu rauchen.
Er saß im Gartenhaus und schaute auf die Uhr. Lorelei musste ebenso nervös sein wie er, aber er hatte ihr nichts Neues mitzuteilen, und er wollte ihr keine Hoffnung machen und im Hotel anrufen, nur um sie dann zu enttäuschen. Er rutschte auf dem Korbsessel hin und her und versuchte, sich auf seine Zeitungslektüre zu konzentrieren, gab es aber schließlich auf.
»Da bist du ja. Ich hab überall nach dir gesucht.« Frank White stützte sich schwer auf den Stock, als er die Steinstufen bewältigte, die zum Rasen und zum Gartenhaus hinabführten. »Lass mich«, kommandierte er, als Peter aufsprang, um ihm zu helfen. »Ich bin kein Krüppel, die paar Stufen schaffe ich schon.«
In seine Schranken verwiesen, aber äußerst nervös, als er mit ansehen musste, wie sein Vater den Abstieg hinter sich brachte,
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