Himmel über Tasmanien
waren, um Freda zu versichern, dass sie beim Auskleiden keine Hilfe brauchte, behielt sie ihre aufrechte Haltung bei. Doch sobald sie die Zuflucht ihres Schlafzimmers erreicht hatte und die Tür fest hinter ihr geschlossen war, hatte sie hastig das Kleid ausgezogen und in Fetzen gerissen. Nie wieder hatte sie seitdem Rot getragen.
Clarice schaute auf ihre Hände. Sie waren zwar von der Sonne gebräunt, waren jedoch die Hände einer alten, erschöpften Frau. Von dicken Adern und beginnender Arthritis gekennzeichnet offenbarten sie das Verstreichen der Zeit deutlicher als alles andere. In gewisser Weise war sie froh, denn das Alter hatte Weisheit mit sich gebracht, die jedoch hart erkämpft worden war, und die Opfer, die sie erfordert hatte, wirkten noch bis zum heutigen Tage nach.
Die Nacht vor langer Zeit hätte das Ende sein können,denn weder sie noch Lionel sprachen darüber, und zum Glück war kein Kind daraus hervorgegangen. Doch keiner von ihnen konnte ahnen, welch schreckliches Schicksal sie erwartete. Denn sie waren nicht allein im Garten gewesen in jener Nacht, und es war nur eine Frage der Zeit, wann diese Zeugen enthüllen würden, was sie gesehen hatten.
7
D ie Blockhütte stand unter den Bäumen im Tal, außer Sichtweite von Gehöft und Stallungen, aber nur wenige Meter vom Fluss entfernt. Joes Vater hatte sie als Versteck gebaut, in dem er nach Belieben an alten Maschinenteilen herumbasteln, über einem Lagerfeuer kochen, zu viel Bier trinken oder einfach nur im Schatten dösen und darauf warten konnte, dass Fische anbissen. Seit seinem Tod war es als Lager für Gerümpel benutzt und dem Verfall anheimgegeben worden.
Joes Mutter hatte sich damit abgefunden, dass jeder Australier einen Schuppen brauchte, und es mit der Zeit schätzen gelernt, eine Weile ein aufgeräumtes Haus für sich zu haben. Was sie von Joes Plänen für den zukünftigen Gebrauch des Schuppens halten würde, war allerdings ungewiss.
Joe wischte sich die Hände an einem Lappen ab und betrachtete zufrieden den einzigen Raum der Hütte. Er und die Stallburschen hatten jede freie Minute hier unten verbracht, um sie wieder bewohnbar zu machen, und den alten Kupferkessel an der Rückseite repariert. Jetzt war das Dach ausgebessert, der Boden abgeschliffen und poliert und die Fensterläden und Fliegengitter ersetzt. Der alte Herd war abgeschmirgelt und frisch mit schwarzer Farbe gestrichen worden, der Abfluss gereinigt und der Holzstoß wieder aufgefüllt worden. Hinter der Hütte hatte er ein neues Plumpsklo eingerichtet, eine neue Zinnwanne gekauft, das Bett ersetzt und frische Bezüge vom Haus herübergeholt. Er hatte sogar einen bequemen Stuhl für die Veranda gefunden. Jetzt musste er nur noch seine Mutter davon überzeugen, dass dies die ideale Unterkunft für Miss Pearson war.
»Da hast du dich also versteckt. Das soll wohl heißen, dass du dich ganz wie dein Vater verdrücken willst?«
Joe steckte den Lappen in seine Tasche und drehte sich zu ihr um. »Es ist nicht für mich«, sagte er mit Nachdruck, »sondern für Miss Pearson.«
Molly verschränkte die Arme. »Dann hast du deine Zeit vergeudet, denn ich habe sie bei den Gearings untergebracht.«
»Da geht sie nicht hin, Ma.« Er ließ sich von ihrem zornigen Blick nicht einschüchtern. »Die Gearings wohnen zu weit weg, sie hat keinen Wagen, und hier ist es ideal.«
Mollys Wangen röteten sich vor Wut. »Sie kann sich den Kleintransporter ausleihen. Ich will sie nicht auf meinem Grund und Boden haben.«
Jack seufzte verärgert. »Sie ist die Besitzerin eines unserer Pferde, Ma. Auf die Dauer kannst du ihr nicht aus dem Weg gehen.«
Molly blieb hartnäckig, ihr stämmiger kleiner Körper bebte beinahe vor Feindseligkeit. »Und ob ich das kann«, entgegnete sie. »Ich hatte nie was dagegen, die anderen Besitzer im Haus unterzubringen, aber sogar diese Hütte ist zu nahe am Haus, und ich dulde Miss Pearson hier nicht.«
»Das hast eigentlich nicht du zu entscheiden, Ma«, sagte er behutsam. »Dad hat mir Galway House vermacht, schon vergessen? Ich kann hier unterbringen, wen ich will.«
Molly biss sich auf die Lippe. »Auch wenn das bedeutet, dass ich womöglich jemandem gegenübertreten muss, den ich nie im Leben wiedersehen wollte?« Tränen traten ihr in die Augen. »Zwing mich nicht dazu, Joe, bitte.«
»Ach, Mum«, seufzte er. »Ich wünschte, du würdest mir sagen, worum es hier geht, verdammt.«
»Besser, du weißt es nicht«, grummelte sie. »Das sind alte
Weitere Kostenlose Bücher