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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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beengend gewesen; Dollys Energie und ihre Begeisterung für die Feste an Bord, die Tanzveranstaltungen und Cocktails hatten in Lulu die Sehnsucht nach Ruhe und Frieden und dem einen oder anderen Abend aufkommen lassen, an dem sie zeitig zu Bett gehen konnte. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sich tagsüber mit einem Buch oder ihren Skizzenblöcken zu verziehen, hatte Dolly ihren Flirts überlassen und gehofft, dass die Zeit, die sie getrennt voneinander verbrachten, die Spannungen abbauen würde, die unweigerlich zwischen ihnen entstanden.
    »Eigentlich«, sagte Dolly beim Anblick der eleganten viktorianischen Gebäude in der von Bäumen gesäumten Straße, »sieht hier alles sehr englisch aus, nicht wahr? Ganz und gar nicht so, wie ich’s mir vorgestellt hatte.«
    Lulus Lächeln war echt, ihr Tonfall spöttisch. »Ich wette,du hast gedacht, hier wäre alles flach, trocken und von rotem Staub überzogen, während überall Kängurus herumhoppeln und Viehtreiber mit Schaf- und Rinderherden durch die Stadt ziehen würden?«
    Dolly grinste. »So ungefähr.«
    Lulu lachte. »Ich vermute, die Herden werden inzwischen mit dem Zug auf die Märkte geliefert, und kein Känguru, das etwas auf sich hält, lässt sich in der Nähe dieses Verkehrs blicken. Aber da draußen«, sie zeigte nach Norden, »sind Tausende Meilen Buschland, und da wirst du sie finden.«
    »Schade, dass wir so wenig Zeit hier haben«, sagte Dolly, und ihr kritischer Blick folgte einer modisch gekleideten Frau, die vorübereilte. »Ich hätte das Buschland gern erforscht.«
    »Nein, das hättest du nicht«, lästerte Lulu. »Da gibt es nämlich keine Läden, und vor allem könntest du nicht diese Schuhe tragen.«
    Dolly betrachtete ihre ledernen Pumps und kicherte. »Da hast du vielleicht recht.«
    Sie versanken in einvernehmlichem Schweigen, und Lulu seufzte zufrieden, denn obwohl das Wetter höllisch und Dollys Verhalten alles andere als zurückhaltend gewesen war, stand unwiderruflich fest, dass sie wieder in Australien war. Melbourne war eine verschwommene Kindheitserinnerung, die beim Anblick des gelbbraunen Yarra River, der rumpelnden Straßenbahnen, des hellgelben Sandsteins und der roten Backsteine der Flinders Street Station wieder zum Leben erweckt worden war.
    Sie und Dolly hatten aus der kurzen Zeit, die sie in Melbourne hatten, das Beste gemacht und das alte Gefängnis besichtigt, in dem der berühmte Ned Kelly gehängt worden war, hatten eine Vorstellung im barocken Princess Theatre besucht, waren im Royal Arcade einkaufen gewesen und hatten eine Bootsfahrt auf dem Yarra unternommen, vorbei an Parks undangelegten Gärten. Dabei hatte Lulu jedoch nicht die Anspannung unterdrücken können, die einsetzte, sobald sie morgens aufwachte. In Gedanken hatte sie jeden Tag praktisch abgehakt, bis es nur noch wenige Stunden bis zur Abfahrt nach Tasmanien waren.
    Aufgeregt schaute sie in den Regen hinaus. »Morgen um diese Zeit werde ich zu Hause sein.«
    »Hoffentlich regnet es dort nicht auch.« Dolly verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Mir wachsen langsam Schwimmhäute zwischen den Zehen.«
    Lulu entschied, dass es keine gute Idee war, etwas über das Wetter in Tasmanien zu sagen, denn obwohl ihre Kindheitserinnerungen nur sonnig waren – wie alle Erinnerungen –, konnte sie sich auch an verregnete Tage erinnern, an die eiskalten Morgenstunden, in denen sie an einem Feuer kauerte, während sie sich für die Schule anzog. Clarice hatte einmal bemerkt, das Klima sei ähnlich wie in England und daher unzuverlässig. Es war ihr einziges Lob - noch dazu ein zweifelhaftes.
    »Ich würde sagen«, zischte Dolly und stieß sie an, »ich habe gerade meinen ersten Cowboy gesehen.«
    Lulu folgte ihrem Blick. Er schlenderte gemütlich auf sie zu, stapfte mit seinen Stiefeln durch die Pfützen, und von seinem breitrandigen Hut tropfte der Regen. Er trug einen Sattel über der Schulter, ein Hund folgte ihm auf dem Fuß, und der Regenguss schien seiner guten Laune keinen Abbruch zu tun.
    »Tag, die Damen«, sagte er gedehnt, tippte an seinen Hut, und seine auffallend blauen Augen streiften sie mit einem anerkennenden Blick, als er an ihnen vorüberging.
    Dolly packte Lulus Arm. »Jetzt weiß ich, dass ich in Australien angekommen bin«, hauchte sie, »und wenn alle Männer in Tasmanien so aussehen, dann wird es mir hier gefallen.«
    »Gute Güte«, flüsterte Lulu, als sie in Melbournes Port Phillip eintrafen und an Deck der Rotamahana kamen. »Ich

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