Himmel un Ääd (German Edition)
wütend. »Untersteh dich, das Ganze zu einer Bettgeschichte
herunterzuspielen. Du wolltest mit ihr nach Spanien. Ins ›El Solare‹. Schon
vergessen?«
»Nie und nimmer
wollt ich mit Minka nach Spanien. Wie kommst auf die depperte Idee?«
»Das Prospekt in
deinem Aluminiumkoffer. Darauf hast du die Größe einer Küchenbrigade
durchgespielt. Das hast du auch gemacht, damals, als wir zusammen das Beisel in
Wien pachten wollten.«
»Tomasz hat mich
g'fragt, ob ich ihm mal aufschreib, wie groß eine Brigade bei fünfzig bis
hundert Gästen pro Abend sein muss. Welche Posten unbedingt, welche fakultativ,
kennst das doch. Spielereien am späten Abend, nichts weiter. Weiß gar nimmer,
warum ich das Papier aufg'hoben hab.«
»Spielereien, bei
dir sind alles immer nur Spielereien, Ecki.«
»'s Leben kannst
nicht aushalten, wenn du's zu ernst nimmst.«
Nicht mal die
furchtbare Tatsache, dass wir hier eng beieinanderstehend auf einem brüchigen
Tisch über einer Schlange ausharren mussten, hinderte uns daran, miteinander zu
streiten. Wir funkelten uns kampflustig an, schreckten aber beide zusammen, als
plötzlich mein Handy klingelte. Sofort raschelten, zischten und züngelten die
Schlangen über den Boden. Kommt bloß nicht näher, flehte ich stumm, klammerte
meine Hände um Eckis Oberarme und schloss wieder die Augen.
»Ganz ruhig,
Kathi«, flüsterte er mir ins Ohr. »Ganz ruhig. Sie kommen nicht hoch auf den
Tisch.«
Aber wie lange
konnten wir hier oben bewegungslos ausharren? Wie lange würde uns die
gesprungene Glasplatte noch tragen? Wann knickten uns die Beine weg, weil wir
nicht mehr stehen konnten? In zwei Stunden? In drei? Was, wenn es dunkel wurde
und wir die Schlangen nicht mehr sehen konnten? Waren Schlangen nicht
nachtaktive Tiere? Was würden sie dann mit uns anstellen?
»Ich muss das
Handy holen«, entschied Ecki.
Er löste meine
Hände von seinen Oberarmen und atmete tief durch. Dann trat er mit einem Fuß
kräftig auf das Glas, und die Giftgrüne schoss darunter hervor und verschwand
unter dem Sofa. Der Riss durchzog jetzt drei Viertel der Platte. Ich linste
vorsichtig zu der Stelle hinüber, wo sich das Handy befand. Die braune Schlange
hatte sich auf einem anderen Platz zusammengerollt. Das Handy lag nun frei im
Raum, die nächste Schlange vielleicht einen Meter davon entfernt.
»Und wenn es
klingelt?«, fragte ich.
»Willst mich
narrisch machen?«, knurrte Ecki. »Halt die Augen offen! Wenn's mich eine beißt,
musst du das Viecherl der Rettung beschreiben können.«
Vorsichtig trat
Ecki mit dem ersten Fuß auf den Boden, dann mit dem zweiten. Ich konzentrierte
mich auf seine Schuhe und hielt den Atem an. Er trug Chucks, die immerhin über
den Knöchel reichten. Mein Herz schlug bis zum Hals, in meinem Kopf dröhnte ein
panisches Rauschen, meine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding. Wie lange
brauchte Ecki, bis er sich langsam bückte? Eine halbe Minute? Eine? Zwei? Die
Zeit dehnte sich ins Unendliche.
»Ich hab's«,
flüsterte er.
Jetzt musste er
noch heil zurückkommen. Die Schlangen taten so, als ob sie schliefen. Ich
konzentrierte mich auf die taubenblauen Schuhbändel. Ecki lief rückwärts. Er
ließ die Schlangen keine Sekunde aus den Augen, ich konnte nicht hingucken. Die
blauen Schuhsenkel. Bleib bei den Schuhsenkeln, beschwor ich mich. Mir war so
schlecht, mein Magen drehte sich wie eine Waschmaschine im Schleudergang.
»Puuhh«, stöhnte
Ecki, als er wieder vor mir auf dem Tisch stand. Wir hielten uns wie
Ertrinkende umklammert, zitterten um die Wette, und überall hing der Geruch von
saurer Angst.
»Eins eins null,
oder?«, fragte Ecki, als er wieder sprechen konnte.
»Guck bei B wie
Brandt«, krächzte ich mit Reibeisenstimme. Die Angst hatte mir den Mund
ausgetrocknet.
Ecki wollte mir
das Handy reichen, aber ich hatte Angst, es wieder fallen zu lassen oder keinen
Ton herauszubringen. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er beherzt Brandts
Nummer wählte. Brandt nahm das Gespräch sofort an.
»Hier ist Ecki
Matuschek«, meldete sich Ecki mit erstaunlich fester Stimme und skizzierte
Brandt unsere Situation. »Er ruft gleich wieder an«, sagte Ecki am Schluss. Das
tat Brandt erst nach gefühlten fünf Stunden. Dabei waren seit seinem Anruf
keine vier Minuten vergangen. Brandt wollte mich sprechen, und Ecki hielt mir
das Handy ans Ohr.
»Wir sind schon
auf dem Weg zu Ihnen, auch die Feuerwehr ist bereits unterwegs«, erklärte er
mir. »Damit Ihnen nicht langweilig
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