Himmel un Ääd (German Edition)
Ich fragte mich, wie viele Leute
hierherkamen und gingen, ohne diese Frau auch nur eines Blickes zu würdigen.
Ich sah sie erwartungsvoll an. Sie aber legte ihre Hände auf die Schenkel und
schwieg. Ich hatte nicht die leiseste Vorstellung, wo sie mit ihren Gedanken
war.
»Vielen Dank«,
sagte ich, stopfte die feuchten Tücher in den Mülleimer und legte einen
Zehn-Euro-Schein in den fast leeren Geldteller. Die Miene der Königin blieb
undurchsichtig. Ich verabschiedete mich.
»Pfeifer wohnt da,
wo ich wohne, nur höher«, sagte sie, als ich bereits an der Tür war. »Ich
dritte, er dreizehnte Etage. Dreizehn ist keine gute Zahl, Pfeifer ist kein
guter Mann.«
»Und wo ist das?«
Aufgeregt ging ich zu ihr zurück.
»Ist nicht weit.
Kannst du zu Fuß gehen. Herkules-Hochhaus.« Dann entließ sie mich mit einer
majestätischen Geste. Die Audienz war zu Ende.
Ich stolperte das
Treppenhaus hinunter an der Zeremonienmeisterin vorbei hinaus auf die Straße
und lief in Richtung Brüsseler Platz. »Happy-Hour-Time zwischen sechzehn und
neunzehn Uhr. Alle Cocktails zum halben Preis«, las ich im Fenster einer der
vielen Kneipen. Hinter mir klingelte ein Radfahrer Sturm, damit ich ihn
passieren ließ. Erst da merkte ich, dass ich mitten auf der Straße ging. Ich
wechselte auf den Bürgersteig.
Es war nicht weit
bis zum Brüsseler Platz. Schon sah ich den Taxistand und die gut besetzten
Außentische der Cafés und Restaurants rund um den Platz. Ein Blick auf die Uhr.
Happy-Hour-Time. Nicht für mich. Ich stieg in ein wartendes Taxi und ließ mich
zum Herkules-Hochhaus fahren.
An der Kreuzung
zur Inneren stieg ich aus. Die paar Meter bis zu dem hässlichen mit roten, lila
und blauen Platten verkleideten Hochhaus ging ich zu Fuß. Die Bausünde aus den späten
sechziger Jahren ragte als trutziges Eingangstor von Ehrenfeld in den blauen
Himmel. Die Antennen auf dem Flachdach in luftiger Höhe sahen aus wie verkohlte
Baumruinen. Der Fernsehturm auf der gegenüberliegenden Seite der Inneren
Kanalstraße wirkte daneben wie ein Pilz mit einem dürren, unendlich in die
Länge geschossenen Stängel.
Im Eingangsbereich
des Herkules-Hochhauses verwitterte eine Schenke mit längst vergilbten
Gardinen. Die Klingelwand bot ein Durcheinander aus vielen, teilweise mehrfach
überklebten Schildern. Irgendwo unter Namen aus aller Herren Länder fand ich
irgendwann »T. Pfeifer«. Ich drückte auf den Klingelknopf, aber niemand
öffnete. Ich rutschte an einem Studentenpärchen, das heftig miteinander
debattierend aus dem Haus trat, vorbei ins Innere, nahm einen Fahrstuhl und
drückte auf den dreizehnten Stock. Mit schwerem Gerumpel und dem Geruch
gleichgültiger Anonymität in der Nase fuhr ich nach oben.
Ein nüchterner
Flur in kaltem Neonlicht empfing mich. Ich strich an abweisenden Türen entlang.
Viele ohne Namensschilder, aber an Pfeifers Tür klebte zum Glück eines. Ich
drückte die Klingel. Niemand öffnete. Ich hielt das Ohr an die Tür und hörte
Musik. Zumindest ein Radio lief in der Wohnung. Ich klingelte wieder. Nichts
geschah.
»Ecki?«, rief ich
leise. »Bist du da drinnen?«
Jetzt hörte ich
ein Schleifen, als ob etwas Schweres über den Boden gezogen würde. In der
Wohnung war jemand. Ich polterte gegen die Tür.
»Ecki«, rief ich
lauter. »So sag doch was!« Wieder Stille. »Pfeifer? Sind Sie da?«, rief ich
dann. »So machen Sie doch endlich die Tür auf!«
Ich trommelte mit
beiden Fäusten dagegen. Ein asiatisch aussehender Mann huschte verschreckt an
mir vorbei und schlüpfte schnell in den noch wartenden Aufzug. Mit neugierigen
Nachbarn war hier wahrscheinlich nicht zu rechnen, aber einen Versuch, solche
zu mobilisieren, war es wert.
»Aufmachen!«,
brüllte ich wieder und trommelte so kräftig gegen die Tür, dass es bestimmt
auch noch zwei Stockwerke tiefer zu hören war.
Als plötzlich die
Tür aufgerissen wurde, stolperte ich fast in die Wohnung. Pfeifer mit einer
schweren Reisetasche in der Hand packte mit der anderen meinen Arm, zog mich
weiter nach drinnen, drängte sich an mir vorbei, schlug die Tür von außen zu
und steckte, schneller als ich denken konnte, den Schlüssel ins Schloss und
sperrte ab.
Ich starrte eine
Weile die Tür an, dann stieg mir ein strenger Stallgeruch in die Nase, wie er
in Wohnungen mit Haustieren herrschte. Ich drehte ich mich um und sah Ecki im
offenen Wohnzimmer auf einem Glastisch stehen.
»Was machst du auf
dem Tisch?«, fragte ich blöd.
»Komm her, Kathi«,
gurrte er
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