Himmel un Ääd (German Edition)
endlich sanft, aber mit irrem Blick. »Ganz langsam, sonst
verschreckst die Viecherl.«
Jetzt erst blickte
ich nach unten auf den Boden, und mein Puls schoss sofort von null auf hundert.
Mir wurde schwindelig, und das Herz bummerte und raste, als wollte es aus dem
Körper springen. Auf dem Boden lagen Schlangen! Nicht eine, nicht zwei,
Dutzende! Zusammengeringelt, durcheinanderliegend, große und kleine, grüne,
braune, weiße. Vipern, Nattern, Mambas, Ottern, Kobras!
Ich schloss die
Augen und stellte mir ein Küchenbrett und drei Tomaten vor. Aber ich konnte die
Tomaten nicht sehen, stattdessen sah ich Hunderte, Tausende der ekligen
Viecher. Welche, die mir über die Füße krochen, andere, die mir ins Ohr
züngelten, eine, die sich mir um den Hals legte, eine, die mir ihre Giftzähne
in die Wade bohrte.
»Geh, Kathi, komm
her«, gurrte Ecki weiter. »Auf dem Tisch bist sicherer und hast alle im Blick.«
Wenn ich hier
lebend rauskomme, prügele ich Ecki windelweich, schwor ich mir immer noch mit
geschlossenen Augen. Dass ich seinetwegen in meinem schlimmsten persönlichen
Alptraum gelandet war, machte mich rasend. Auf der langen Liste der Dinge, die
ich ihm übel nahm, setzte ich dieses Schlangeninferno ganz oben an.
»Darfst nicht
ausrasten, musst ganz ruhig bleib'n«, beschwor mich Ecki weiter in sanftestem
Wiener Singsang.
Ich hielt mir den
Kopf fest und versuchte, mit kontrolliertem Ein- und Ausatmen das Herz zu
beruhigen. Als es wieder ein bisschen langsamer schlug, öffnete ich die Augen.
Ich zwang mich, mir den Raum genauer anzusehen. Der Flur ging direkt in ein
großes Wohnzimmer über, in dessen Mitte der Glastisch, auf dem Ecki stand,
dahinter ein Sofa. Rechts davon zwei große Terrarien mit Sand und kahlen Ästen
gefüllt und ansonsten leer. Davor auf einem sonnenbeschienenen Laminatboden
lagen die meisten Schlangen. Ein paar entdeckte ich auch neben dem Sofa. Ich
versuchte, sie zu zählen, und kam auf dreizehn. Verfluchte dreizehn! Ich hätte
die Warnung der Königin von Saba ernst nehmen sollen.
Links im Raum
unter einer breiten Fensterfront, hinter der der Pilzkopf des Fernsehturms im
frühen Abendlicht leuchtete, ein weiteres, noch größeres Terrarium, in dem ein
absolutes Riesenvieh schlief, bestimmt eine Boa constrictor. Keine Balkontür,
also keine Fluchtmöglichkeit nach draußen. Dreizehnter Stock und die
Wohnungstür von außen zugesperrt. Ich drehte den Kopf vorsichtig nach rechts,
wo hinter einer offenen Tür eine kleine Küchenzeile zu sehen war.
»In der Küche und
im Bad hat's die kleinen Giftschlangen«, drang Eckis Stimme an mein Ohr. »Ich
weiß nicht, ob er die auch rausg'lassen hat. Komm ganz langsam zu mir, bevor
sich eins von den Viecherln g'stört fühlt.«
Kleine
Giftschlangen! Monokelkobras und weiß der Henker was noch alles! Ich wollte
schreien. So laut und so lange, bis einer kam und mich hier wegbrachte. Aber
ich durfte nicht schreien, und ich konnte nicht gehen. Ich fühlte mich wie in
einer Horrorversion des alten Kinderspiels, in dem man nach dem »Stopp« des
Spielführers zur Bewegungslosigkeit verdammt war.
»Kathi, es sind
nur drei Meter! Wenn'd nur ganz leise auftrittst, regt sich keins von den
Schlangerln auf«, redete Ecki weiter mit leiser Stimme auf mich ein. »Schau gar
nicht hin. Schau nur mich an. Ich hab s' alle im Blick!«
Und dann versuchte
ich es, Schritt für Schritt. Ich schaute immer nur Ecki an, der ermutigend
nickte und mir die Arme entgegenstreckte, um mir auf den Tisch zu helfen. Ich
zitterte wie Espenlaub, und mein Herz war völlig außer Kontrolle, als ich auf
dem Glastisch stand. Ecki hielt mich fest und pustete mir heiße Luft in die
Haare, wie Mütter es tun, um ihre Kinder zu beruhigen.
»Wir müss'n Hilfe
holen«, sagte Ecki dann. »Hast dein Handy mit? Meins liegt in einem Schließfach
des Hauptbahnhofs. Damit die Kieberer mich nicht finden, verstehst?«
Handy, Hilfeholen,
natürlich! Wieso war ich noch nicht auf die Idee gekommen? Ich brauchte nur
einen Blick auf den Boden zu werfen und kannte den Grund.
»Nicht hingucken,
Kathi, gar nicht hingucken«, ermahnte mich Ecki.
»Lass mich mal
los«, sagte ich, weil Ecki immer noch den Arm um mich geschlungen hielt.
Er löste seinen
Griff, aber auch so blieb der Platz zwischen uns auf dem Tisch sehr begrenzt.
Ich quetschte also meinen Arm eng an den Körper und fingerte in der Hosentasche
nach dem Handy. Als ich es endlich in der Hand hielt, hörte ich hinter mir ein
grausliches
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