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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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an, da kommt er ohne Vorankündigung.« Das klang ein bisschen nach
salbungsvoller Grabrede, aber ich tat mich schwer, die rechten Worte zu finden.
    »Wann hast du mir
denn sagen wollen, dass er tot ist? Nach seiner Beerdigung?«
    Trauer oder Angst
parierte Arîn gern mit wütenden Angriffen. Im Laufe der Zeit hatte ich gelernt,
darauf mit Geduld zu reagieren. Es war verständlich, dass Mombauers Tod sie
mehr schockierte als mich. Von uns allen hatte sie den engsten Kontakt zu dem
alten Mann gepflegt, nicht nur weil sie ihm jeden Tag sein Essen gebracht und
er ihr dafür immer ein bisschen Geld zugesteckt hatte. Nein, die beiden mochten
sich. In Arîns Gegenwart war Mombauer nicht so verschlossen wie sonst, und Arîn
redete gern mit ihm.
    »Er war wie ein bapîr , ein Opa, für mich. Hier in Köln habe ich doch
keinen. Den in Kumlu sehe ich nur alle paar Jahre mal, und der andere Großvater
ist schon tot gewesen, als ich auf die Welt gekommen bin«, fügte sie schon
weniger stachelig hinzu.
    »Ist ja gut,
Mädchen«, seufzte ich, holte den Tagesverbrauch an Spargel und Rhabarber aus
der Kühlung und fischte zwei Schäler aus der Schublade. Einen drückte ich Arîn
in die Hand, mit dem anderen begann ich zu schälen. Auch nach Mombauers Tod
erledigte sich die Arbeit nicht von selbst, wir mussten mit den Vorbereitungen
loslegen. Als Arîn einen flotten Schälrhythmus gefunden hatte, machte ich mich
auf den Weg zum Telefon, das schon eine Weile hartnäckig klingelte.
    Eva, die heute
überraschend früh in der »Weißen Lilie« auflief, kam mir zuvor. Sie klemmte
sich den Hörer ans Ohr, schickte mir ein Begrüßungslächeln und griff automatisch
zum Reservierungsbuch. Ohne Evas wunderbaren Service wäre die »Weiße Lilie« nie
das geworden, was sie jetzt war. Da hätte ich noch so gut kochen können. Seit
der Geburt des kleinen Ole arbeitete sie nicht mehr Fulltime, sondern teilte
sich den Service mit Ecki.
    »Tut mir leid, die
große Tafel ist für heute Abend komplett ausgebucht. Moment, da muss ich die
Chefin fragen.« Eva legte die Hand auf die Muschel. »Acht weitere Essen, kann
ich einen Außentisch anbieten? Die Eschbachs.«
    Stammkunden, er
war Redakteur beim Stadt-Anzeiger, sie arbeitete beim WDR .
Sie kamen oft mit Freunden und Kollegen. Da konnte ich schwer Nein sagen,
obwohl wir draußen eigentlich kein Essen servierten.
    »Genau«, sagte Eva
ins Telefon, »es sieht nicht nach Regen aus. Außerdem bringen Sie sowieso immer
Sonnenschein mit.«
    »Sonnenschein! Ich
glaub's nicht, Eva. Dass du immer so rumschleimen kannst. Ihr Tellertaxis seid
euch für nix zu schade«, frotzelte Arîn.
    »Wenn ich bei den
Gästen nicht auf Schönwetter mache, kriegt so ein Poltergeist wie du kein
einziges Essen verkauft.« Eva griff sich eine von Arîn geschälte Spargelstange
und biss hinein. »Ohne mich, du kleiner Kochtrampel, wärst du arbeitslos. Mhmm,
sind die gut!«
    Eva knabberte den
Spargel wie eine Salzstange weg, griff nach dem nächsten. Arîn klopfte ihr auf
die Finger, Eva zog die Hand schnell weg, um dann mit der anderen nach einer
Spargelstange zu grapschen, aber Arîn reagierte genauso flink.
    »Aua«, stöhnte Eva
und pustete auf ihre Finger.
    »Wenn du welche
essen willst, schäl sie selbst«, gab Arîn ungerührt zurück.
    »Schluss, ihr
zwei«, beendete ich die Kabbelei. »Eva, ich vertraue wie immer auf deine
Speisekartenpoesie. Berberitzen sind eine orientalische Vitamin-C-Bombe, mehr
dazu kann Arîn dir sagen. Und Arîn, wenn du mit Spargel und Rhabarber fertig
bist, ruf Minka an und frag, ob sie heute zwei Stunden früher kommen kann.«
    »Kommt Ecki
nicht?«, fragte Eva besorgt. »Ich habe nämlich nur bis um zehn einen
Babysitter.«
    »Doch, aber er
kommt später!«
    Wieder kroch Ärger
in mir hoch. Ecki hätte ich heute wirklich schon bei den Vorbereitungen
gebrauchen können. Aber nein, etwas anderes war wichtiger. Manchmal verhielt
sich Ecki wie ein Privatier, der nach Lust und Laune entschied, ob er arbeitete
oder nicht. An anderen Tagen schuftete er wie ein Berserker und gab in der
»Weißen Lilie« den gleichberechtigten Partner. Ohne erkennbare Regel sprang er
zwischen diesen Rollen hin und her. Ich hätte es ihm gern allein übel genommen,
aber an diesem Spiel war ich beteiligt.
    Arbeitsvertrag, Gehalt,
Position in der Küche, Rolle im Service, nichts von alldem hatten wir
festgelegt. Wenn ich einen Vorstoß dazu machte, winkte Ecki mit den Hinweis ab,
wie sehr er dieses Formalzeugs hasste.

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