Himmel un Ääd (German Edition)
dem Geschirr, das deine Mutter so gern gehabt hat.«
Irmchen
präsentierte der Mombauer-Tochter eine blau-weiß geblümte Kaffeetasse, die sie
in den Tiefen des Küchenschranks entdeckt hatte. Auch in diesem Raum übernahm
Irmchen bei der Suche nach Mombauers Testament die Regie, während Sabine
tatenlos die Kaffeetasse umklammert hielt und vor sich hin starrte.
»Das Essservice
dazu habe ich mitgenommen, als ich damals ausgezogen bin«, murmelte sie. »Das
habe ich immer noch. Aber ich benutze es nicht, denn jedes Mal, wenn ich es
sehe, muss ich dran denken …« Dann hörte sie auf zu reden. So als wären ihr
die Worte ausgegangen oder als gäbe es keine Worte für das, was noch aus ihrem
Mund wollte.
»Ach, Kindchen!«
Irmchen griff das Unausgesprochene auf, indem sie kurz ihre Suche unterbrach
und einen sanften Blick auf Mombauers Tochter richtete. »Vielleicht kannst du
ihm ja jetzt, wo er tot ist, vergeben. Weil, das haben sie uns auch gesagt in
dem Vortrag der Kirchengemeinde. Dass man nicht nur seinen Nachlass regeln
soll, sondern auch versuchen muss, mit sich ins Reine zu kommen, bevor man vor
den Schöpfer tritt.«
»Der war doch
immer mit sich im Reinen!« Das Lachen der Frau klang künstlich und bitter. »Er
hat sich doch nie etwas vorgeworfen!«
»Weißt du's?«,
fragte Irmchen, schon wieder mit Suchen beschäftigt.
Von einer Sekunde
auf die andere verdunkelte sich die Küche, draußen verdeckte eine graue Wolke
die Mittagssonne. Über dieser Küche hingen noch andere Schatten. Unzähmbare
Erinnerungen, nie Ausgesprochenes, schwarze Kindheitswolken, was wusste ich.
»Hier ist auch
nichts.« Irmchen schob die unterste Küchenschublade zu. »Und nun?«
Ich wusste
plötzlich, was zu tun war, und ärgerte mich, dass es mir nicht früher
eingefallen war.
»Wir können Arîn
fragen«, schlug ich vor und erklärte den beiden die Sache mit Mombauers
Mittagstisch.
»Klar weiß ich, wo
das ist«, sagte die, als ich sie anrief. Keine Minute später stand sie bei uns
in der Küche. »Im Schlafzimmer, unter seinem Bett. Soll ich die Kiste holen?«
Als Sabine nickte,
verschwand sie, um gleich darauf einen braunen Pappkarton auf den Tisch zu
stellen. »Da ist alles drin, was ihm wichtig ist. Bis auf die Eisenbahn.«
Vorsichtig legte
Sabine den Deckel zur Seite, ganz obenauf in einer Plastikhülle lag ein
handbeschriebenes Blatt, auf dem dick »Mein letzter Wille« stand.
»Genauso haben sie
uns das bei dem Informationsabend der Kirchengemeinde erklärt!« Irmchen nickte
zufrieden, weil sie Mombauer nicht vergebens zu dem Treffen mitgeschleppt
hatte, und ich wusste immer noch nicht, ob es gut oder schlecht für mich war.
Es gab also ein
Testament. Ich beobachtete aufmerksam das Gesicht der Tochter, als sie das
Blatt überflog. Erbte sie das Haus? Ihre Miene verriet nichts.
»Er vermacht Ihnen
seine Eisenbahn«, raunte sie Arîn zu und steckte das Blatt in die Handtasche.
»Interessieren Sie sich dafür?«
»Nicht die Bohne«,
gab Arîn zurück. »Aber ich habe ihm gern zugesehen, wenn er damit gespielt hat.
Da war er immer so fröhlich und so lebendig.«
»Na ja, dann können
Sie sie versilbern.«
Arîn sah sie
fragend an.
»Mein Vater hat
viel Geld in dieses Hobby gesteckt.« Sabine stockte, bevor sie das Wort »Hobby«
aussprach, damit keiner von uns ihre abgrundtiefe Verachtung für die
Freizeitbeschäftigung ihres Vaters entging. »Und es gibt viele andere Männer,
die diesem merkwürdigen Steckenpferd frönen. Schauen Sie im Internet nach. Sie
bekommen für das Zeugs bestimmt einen guten Preis.«
»Was ist das denn
für eine? Wie ist die denn drauf?«, las ich hinter Arîns gerunzelter Stirn. Ich
schüttelte kaum merklich den Kopf, darauf konnte ich ihr im Augenblick keine
Antwort geben.
»Wie weit bist du
mit dem Spargel und dem Rhabarber?«, fragte ich stattdessen.
»Erledigt.«
»Okay. Als
Nächstes die Zuckerschoten fädeln. Ich komme auch gleich runter, dann können
wir durchstarten.«
Arîn nickte und
wollte schon gehen, als Sabine sie am Arm packte und zu der Kiste zog.
»Was ist das?«,
fragte sie und deutete auf zwei rote Ringbücher in der Kiste.
»Das sind Alben.
In den letzten Monaten hat er alle Fotos sortiert und eingeklebt. Von Ihnen
gibt es ganz viele.« Vorsichtig hob Arîn eines der Bücher aus der Kiste und
legte es vor Sabine Mombauer auf den Tisch.
Diese befühlte mit
ihren dürren Fingern den kartonierten Einband und zögerte mit dem Öffnen. Ihr
Blick wanderte aus
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