Himmel un Ääd (German Edition)
der Diskussion ein Ende. »Es gibt nämlich noch Portulak,
Kräutersalat und Zuckerschoten.«
»Zuckerschoten.
Ich liebe Zuckerschoten!«, freute sich Arîn, eilte wieder nach draußen und
schleppte die restlichen Einkäufe nach drinnen. Ich räumte alles in die
entsprechenden Kühlkammern und verschaffte mir gleichzeitig einen Überblick über
den Warenbestand.
»Wie willst du den
Spargel diese Woche machen?«, fragte Arîn mit Papier und Bleistift in der Hand,
nachdem wir mit dem Aus- und Einräumen fertig und in unsere Kochklamotten
geschlüpft waren.
»Unbedingt roh als
Carpaccio. Du musst sie in ganz feine Streifen hobeln, auch wenn das viel
Arbeit ist«, gab ich vor, als ich sah, wie Arîn eine Schnute zog. »Die sind so
frisch, das muss ich ausnutzen. Dazu klein gehackte Walnüsse und hart gekochte
Eier und eine Vinaigrette mit Walnussöl. Alles aufgeschrieben?« Ich machte erst
weiter, als Arîn nickte. »Zum Thunfisch legen wir den Spargel in einen milden
Ziegenfrischkäse auf Blätterteig, dann gibt es noch die badische Variante mit
Kratzede und Schwarzwälder Schinken …«
»Zum Lamm ein
Mandelcouscous mit Zuckerschoten«, schlug Arîn vor, nachdem sie alle
Spargelgerichte notiert hatte.
Arîn ließ gern
Gerichte der orientalischen Küche in unseren Speiseplan einfließen. Dieser
Küche, genauer der kurdischen, gehörte ihre Leidenschaft. Ihre Familie stammte
aus dem türkisch-syrischen Grenzgebiet und lebte wie viele Kurden im Exil. Die
Verwandtschaft war über ganz Europa verstreut. Per Mail sammelte sie bei Tanten
und Cousinen eifrig Rezepte traditioneller Gerichte, aber es interessierte sie
auch, welche Einflüsse das Gastland auf die Küche hatte. Sie wollte eine neue,
eine moderne kurdische Küche entwickeln, weltoffen und vielfältig wie die
Kurden selbst, und irgendwann damit ein eigenes Restaurant eröffnen. Noch war
das ein Traum, aber das konnte sich ändern. Auch die »Weiße Lilie« hatte mal
mit einem Traum begonnen.
»Gute Idee«,
stimmte ich ihrem Vorschlag zu, »das Lamm peppen wir dann mit einem kleinen
Kräutersalat optisch auf. Hast du noch einen Vorschlag für eine Vorspeise mit
Zuckerschoten?«
»Ein Salat mit den
französischen Radieschen? Und Katharina, die Berberitzen würde ich gerne mit
Rhabarber kombinieren, als orientalisch-europäische Allianz.«
»Wird ein bisschen
herb sein, ist aber einen Versuch wert. Dazu brauchen wir aber unbedingt einen
süßen Gegenpol. Was aus dem Norden, ein Soufflé vom Lübecker Marzipan.«
»Und zu den
Erdbeeren ein Milchreispudding?«
»Du mit deinem
Milchreispudding«, lachte ich. »Nein, heute kommt deine Leib- und Magenspeise
nicht auf die Karte. Die Erdbeeren als Sorbet mit Champagner und als Salat zur
bayrischen Creme. Und natürlich Mousse au Chocolat für die Schokoladenjunkies.
– Hast du alles?«
»Gleich!« Eilig
schrieb sie die Liste zu Ende.
»Gut. Dann kann
Eva daraus die Speisekarte fabulieren. Überleg, was du ihr über Berberitzen
erzählst, die kennt sie bestimmt nicht. Und wir machen uns ans Vorbereiten.
Hast du einen Überblick, was wir noch an Fond haben?«
Das Ansetzen von
Fonds gehörte in Arîns Zuständigkeitsbereich. Sie verschwand in Richtung
Kühlkammer.
»Fisch sieht gut
aus, Gemüse auch, Huhn ist so gut wie alle«, rief sie, bevor sie zum Pass
zurückkam. »Aus dem restlichen Hühnerfond kann ich Mombauer eine Suppe machen,
die isst er immer so gern«, schlug sie vor.
Mombauer! Den
hatte ich in der letzten Stunde erfolgreich verdrängt. Schon seit Jahren bezog
er bei uns eine Art Mittagstisch. Der eigenbrötlerische Alte konnte nicht
kochen und hasste Restaurantbesuche und Essen auf Rädern gleichermaßen. So
hatte er bei uns eine tägliche warme Mahlzeit abonniert – eine Solonummer, weil
er mein Vermieter war. Das Essen hatte Arîn ihm immer nach oben gebracht.
»Tot?« Arîn
schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie kann der denn tot sein? Am Samstag war der
munter wie ein Fisch im Wasser und zu Scherzen aufgelegt. Hat mich gefragt, ob
ich beim Schützenfest mit ihm ins Festzelt gehe, damit seine Schützenbrüder vor
Neid erblassen. ›Arîn‹, hat er gesagt, ›von so einer schönen jungen Frau wie
dir träumen die alle.‹ – ›Na klar‹, habe ich geantwortet, ›mit einer Kurdin
taucht da eh keiner auf.‹ Und jetzt kein Schützenfest, keine Hühnersuppe mehr.
Ich versteh das nicht. Wieso ist der plötzlich tot? Ich meine, der war doch
nicht krank oder so.«
»Manchmal klopft
der Tod nicht
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