Himmelsfelsen (Krimi-Edition)
entschuldige. Ich versuch’ doch nur rauszukriegen, wem Gerald etwas anvertraut haben könnte.«
Saalfelder wandte sich zur Seite. »Wir können jetzt alles brauchen, nur keinen Streit untereinander.«
»Wir streiten doch nicht«, gab Flinsbach schnippisch zurück.
»Lass’ uns lieber überlegen, wie wir uns verhalten, wenn der Bruder auftaucht. Dem trau’ ich zu, dass er sogleich mit einer notariellen Erburkunde oder was weiß ich dahermarschiert. Dann haben wir keine Chance und tanzen nach seiner Pfeife«, wetterte Saalfelder und schaute aus dem Fenster.
»Nur wird er sehr schnell ziemlich dumm aus der Wäsche schauen«, stellte Flinsbach fest, »es gibt da ein paar Leute hier, die das sicher nicht ohne weiteres hinnehmen würden.«
»Das glaub’ ich auch«, stellte Saalfelder fest, »nur ist das deren Bier, verstehst du?«
»Aber wir sitzen alle in einem Boot.«
»Vorschlag?!«,knurrte Saalfelder.
»Lassen wir den Kerl doch einfach mal kommen.«
»Aber räum’ mir alles weg. Alles, verstehst du. Wie sieht’s droben aus?«
»Ich werd’ alle Spuren beseitigen.«
Linkohr steuerte den Kripo-Audi mit Häberle als Beifahrer über die A 7 nach Ulm. Die Sonne brannte erbarmungslos durch die Windschutzscheibe. Häberles Handy riss sie aus ihren Gedanken.
»Häberle«, meldete er sich.
»Chef, wir haben eine interessante Entdeckung gemacht«, hörte er die Stimme seines Kollegen Schmidt.
»Ich höre«, erwiderte Häberle während Linkohr an einer endlosen Kolonne Lastzüge vorbeifuhr.
»Sie erinnern sich an die Reifenspur, die unsere Jungs gestern Abend noch auf dem Waldweg hinterm Himmelsfelsen entdeckt haben«, berichtete Schmidt, »wir haben anhand des Profils den Reifentyp ausfindig gemacht. Die Techniker beim LKA sind rasch fündig geworden.«
»Super«, lobte Häberle und lauschte aufmerksam.
»Diese Reifen gibt’s seit Jahr und Tag nicht mehr. Sie wurden in den sechziger Jahren benutzt, vielleicht auch noch in den Siebzigern.«
»Das bedeutet, dass da einer mit einem uralten Fahrrad durch den Wald gestrampelt ist«, schlussfolgerte Häberle.
»Genau, Chef, mit einem uralten Göppel«, sagte Schmidt und benutzte dabei einen urschwäbischen Ausdruck.
»Das ist interessant, Kollege«, stellte Häberle fest.
»Das meinen wir auch«, bestätigte Schmidt.
»Andererseits wird es schwierig, den Eigentümer eines solchen Rads zu finden. Wenn es irgendwo geklaut wurde, fällt das keinem auf«, meinte Häberle und überlegte, »andererseits muss es auch jetzt noch irgendwo sein.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Bereitet mal eine Pressemitteilung für die Mittagsnachrichten von ›Antenne Filstal‹ vor. Einen Aufruf, wer ein solches Rad vermisst oder wo eines aufgetaucht ist oder besser noch, wer gestern früh jemanden mit so einem Ding gesehen hat. Den Sander von der ›Geislinger Zeitung‹ können wir heut’ Nachmittag dann ausführlich informieren.«
Häberle bedankte sich und beendete das Gespräch. Als er dessen Inhalt seinem Kollegen Linkohr erläuterte, brachte dieser seine äußerste Verwunderung mit: »Da haut’s dir’s Blech weg!« zum Ausdruck.
Die Uhr auf dem Turm der Geislinger Stadtkirche schlug halb elf. Im nahen Bürohaus, einem schlichten Zweckbau, der einstens die Verwaltung eines inzwischen ausgesiedelten Industriebetriebs beherbergt hatte, fand eine Sondersitzung des Gemeinderats statt. Von den 26 Stadträten hatten sich vier entschuldigt, weil sie den kurzfristig anberaumten Termin nicht wahrnehmen konnten. Im so genannten Kapellmühlsaal hatte die Verwaltung an den Oberlichtern die Jalousien zugezogen. Es war unerträglich heiß, als Oberbürgermeister Schönmann die Kommunalpolitiker zu der nichtöffentlichen Sitzung begrüßte. Stadtbaumeister Karl Specht hatte mehrere Folien vorbereitet, die er mithilfe des Tageslichtprojektors auf die Leinwand werfen wollte.
»Meine sehr verehrten Damen und Herren«, begann der Oberbürgermeister, der im weißen kurzärmeligen Hemd vor seinem Mikrofon saß, während die Stadträte an den im Halbrund angeordneten Tischen Platz nahmen. »Es tut mir leid, dass wir diese Sondersitzung anberaumen mussten. Aber wie Sie sicher schon von Ihren Fraktionsvorsitzenden erfahren haben, droht unser Sanierungskonzept für die Obere Stadt auseinander zu brechen. Eine Münchner Gesellschaft will ein ganzes Karree der Langen Gasse beseitigen und mit einem, für meine Begriffe, überdimensio-nierten Projekt überbauen. Die Sache ist
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