Himmelsfelsen
sehen können, mit wem
er es zu tun hatte.«
In diesem Augenblick begann das Handy eine
Melodie zu spielen– das Zeichen, dass jemand anrief. Linkohr war kurz erschrocken,
dann blickten er und sein Kollege auf das Display. »Sven ruft«, stand da zu lesen.
Die beiden Kriminalisten blickten sich an. Schmidt nickte seinem Kollegen ermunternd
zu. Linkohr drückte die grüne Taste und sagte: »Ja?«
Der Anrufer schien irritiert zu sein. »Wer
ist denn da?«,hörte Linkohr eine Männerstimme sagen.
»Bei Fronbauer«, sagte Linkohr. Sein Kollege
schaute ihn erwartungsvoll an.
»Mit wem bin ich verbunden?«, fragte der Anrufer.
»Darf ich fragen, wer Sie sind?«,erwiderte
Linkohr.
»Das möchte ich zuerst von Ihnen wissen«, kam
es zurück.
»Okay, hier spricht die Kriminalpolizei, mein
Name ist Linkohr.«
Aufgelegt! Linkohr stutzte und drückte die
rote Ende-Taste.
»Merkwürdig«, sagte er, »wieso legt der auf,
wenn er hört, dass die Kripo dran ist?«
»Schlechtes Gewissen womöglich«, meinte Schmidt,
»das ist aber kein Problem. Wir werden morgen feststellen lassen, wem das Handy
gehört. Eine D 2-Nummer, sehe ich das richtig?«, fragte er.
»Ja.« Dann las er seinem Kollegen die Rufnummer
des unbekannten Sven vor.
»Ich schlag’ vor, wir machen Schluss«, sagte
Schmidt und sah auf seiner Armbanduhr, dass es bereits nach zwei war.
»Wer ruft denn um diese Zeit auch noch an?«,überlegte
Linkohr, während er das Handy zur Seite legte.
»Du darfst nicht vergessen, das ist das Handy
eines Nachtclub-Besitzers. Da geht’s um diese Zeit erst richtig zur Sache.«
»Du meinst, einer von uns sollte das Ding mit
nach Hause nehmen, falls noch einer anruft?«
»Ja, das sollten wir tun. Ist noch Akku-Ladung
drauf?«
Linkohr nahm das Gerät wieder in die Hand und
sah auf dem Display, dass der Akku noch mindestens einen Tag reichen würde. »Okay,
ich nehme es mit«, sagte er.
»Vielleicht rufen ja auch ein paar heiße Miezen
an …«,meinte Schmidt während sie beide den Lehrsaal verließen, die Lichter löschten
und beim Hinausgehen wieder einen kräftigen Donnerschlag hörten.
Es war eine unruhige Nacht gewesen. Mehrere Hitzegewitter hatten sich
über der Schwäbischen Alb gebildet und gebietsweise heftige Niederschläge beschert.
Martin Kälberer, Nachtdienstler bei der Wetterstation Stötten, die sich in 734 Meter
Höhe über Normalnull befindet, hatte sich an den Blitzen erfreut, die auf der Anhöhe
besonders schön zu sehen waren. Der nahe Funkturm der Telekom war oftmals für den
Bruchteil einer Sekunde in gleißendhelles Licht getaucht. Gegen Mitternacht hatte
offenbar irgendwo ein Blitz in eine Stromleitung geschlagen. Kälberer war für einige
Minuten im Finstern gesessen und hatte anschließend seinen Computer wieder neu starten
müssen. Innerhalb kurzer Zeit war die Temperatur zurückgegangen. Insgesamt hatte
es auf jeden Quadratmeter 19,6 Liter geregnet. »Unwetterartig«, war es gewesen,
genau so, wie es der Deutsche Wetterdienst vorhergesagt hatte.
Erst gegen vier Uhr, so hatte der einsame Wetterbeobachter
auf Stöttens Anhöhe festgehalten, waren die Gewitter abgeflaut. Jetzt, kurz vor
sechs Uhr, schien es so, als sei nichts gewesen. Der Himmel zu »sechs Achteln bewölkt«,
wie in der Sprache der Meteorologen der Bewölkungsgrad angegeben wird –, drüben
an den Waldrändern noch Morgennebel. Die Luft war wieder frisch und klar. Der Wetterbeobachter
setzte sich vor den Computer-Bildschirm und gab die verschlüsselten Daten ein, wie
dies im halbstündigen Turnus die Kollegen all der anderen Stationen weltweit ebenfalls
tun. Daraus, und natürlich aus den Daten, die von Satelliten, Wetterballonen, von
Schiffen und Flugzeugen gemeldet werden, errechnen die Zentralcomputer die jeweilige
Vorhersage.
Gerade als Kälberer mit der Übermittlung der
Zahlen- und Buchstaben-Kombinationen fertig war, ging hinter ihm die Büro-Tür auf.
Es war sein Kollege Max Autenrieter, dessen Schicht auch an diesem Morgen um sechs
Uhr begann. Er hatte offenbar mit einem anderen getauscht. Denn turnusmäßig, so
erinnerte sich Kälberer, wäre Stations-Chef Josef Maibach an der Reihe gewesen.
Schließlich hatte Autenrieter bereits am gestrigen Dienstag Frühschicht gehabt.
Möglicherweise hing der Tausch mit der Fußballweltmeisterschaft und den damit verbundenen
Live-Übertragungen aus Korea und Japan zusammen. Immerhin hatten gestern im Achtelfinale
Japan gegen die Türkei und Südkorea gegen Italien
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