Himmelsfelsen
ausg’seha?«,wiederholte die raue
Älbler-Stimme, »mein Gott, es war a Mann, net alt, net jung, er isch mit em Rücka
zu mir g’standa, i hab’ sei’ G’sicht net g’seha, ging ja au alles so schnell, wissat
Se, i war doch glei vorbei.«
Schmidt zwirbelte mit der linken Hand seinen
Schnurrbart und überlegte. Es konnte durchaus sein, dass dieser Hinweis interessant
werden konnte. »Darf ich Ihre Adresse und Telefonnummer erfahren?«, fragte er deshalb.
Der Anrufer nannte sie und Schmidt erwiderte:
»Wir werden Sie im Laufe des Tages aufsuchen. Sind Sie zu Hause?« Der Mann bejahte
und erklärte, dass er Rentner sei und nur deshalb so früh nach Stötten gefahren
war, um bei einem Landwirt frische Milch zu holen. So, wie er dies fast jeden Tag
tue. Schmidt legte auf und schrieb sofort seine handschriftlichen Notizen am Computer
ab.
Daniel Fronbauer hatte seinen Liegestuhl schon zum zweiten Mal dem
Schatten nachgerückt. Es war kurz vor elf und die Sonne brannte bereits wieder erbarmungslos
vom Himmel. Er hatte zu schlafen versucht, doch ließen ihn die Ereignisse des vergangenen
Tages nicht zur Ruhe kommen. Das Zwitschern der Vögel, die Düfte des Gartens, das
alles nahm er wie von Ferne nur wahr. Erst die Melodie seines Handys riss ihn aus
den Gedanken hoch. Er schaute auf das Display, auf dem »Susann« zu lesen stand,
und drückte den grünen Knopf.
»Hallo«, sagte er und richtete sich in seinem
Liegestuhl auf.
»Hi«, hörte er die kecke Stimme der jungen
Dame sagen.
»Mensch, Susann, was für eine Überraschung
…?«,staunte Fronbauer. Sie hatten schon tagelang nicht mehr miteinander telefoniert.
»Du freust dich gar nicht …?«,meinte sie schmollend.
»Doch, doch«, beeilte sich Fronbauer zu sagen,
»natürlich, das weißt du doch. Ich wundere mich nur, zu dieser Tageszeit …«
»Ich wollte dir mein Beileid ausdrücken«, sagte
sie jetzt weniger fröhlich, »ich bin total geschockt. Wir alle sind total geschockt.«
Sie machte eine Pause.
»Danke dir«, erwiderte Fronbauer, der ein paar
Schritte von seinem Liegestuhl wegging, »das ist lieb. Ich war gestern in Ulm, aber
du warst leider nicht da.«
»Ja, ich war mit Harry unterwegs«, sagte sie
stockend, »er musste neue Engagements unterschreiben. Aber das, was jetzt geschehen
ist, ist doch furchtbar. Kannst du dir denn vorstellen, wer das getan haben kann?«
Ihre Stimme schien zu zittern.
»Nein, wenn ich das wüsste, was glaubst du,
was ich da schon getan hätte? Aber ich kann es mir überhaupt nicht vorstellen und
denke, dass das Motiv in seinem Job begründet liegt.«
»Du meinst, hier bei uns in Ulm?«
»Natürlich nicht im ›High-Noon‹ direkt, versteh’
mich nicht falsch, aber im Umfeld, da hat man’s doch mit allen möglichen Leuten
zu tun.«
»Gerald war keiner von denen, die es mit jeder
treiben oder gar mit der Unterwelt zu tun haben«, verteidigte Susann das Mordopfer.
Fronbauer ging wieder zu seinem Liegestuhl
zurück und spürte, wie er schwitzte. »Nein, das will ich damit auch gar nicht sagen,
aber wer weiß schon, was sich nachts so alles ergibt und abspielt …?«
»Vielleicht sollten wir mal drüber reden«,
meinte sie.
»Du meinst, du möchtest dich mit mir treffen?«
Fronbauer war plötzlich hellwach. Während des ganzen Gesprächs schon hatte er sie
sich bildlich vorgestellt. Kurzes Röckchen, raffinierte Bluse. Sie hatte ihn schon
immer wahnsinnig gemacht und er hatte sie schon viel zu lange nicht mehr gesehen.
»Ich find’ das eine gute Idee«, griff er deshalb
den Vorschlag freudig auf, »heute Abend und wo?«
»Sagen wir um acht, bei mir«, sagte sie wieder
mit ihrem kecken Unterton.
»Ich komme«, lächelte Fronbauer, »ich freu’
mich sehr.«
Der Tag sah wieder etwas freundlicher aus.
Linkohr hatte am Autobahnkreuz Elchingen/Ulm die A7 verlassen und die
aus Stuttgart kommende A 8 gekreuzt. Hier draußen, am Rande des so genannten Donau-Rieds,
lagen die Autobahnen im prallen Sonnenschein.
»Eine Affenhitze«, stöhnte Häberle und trocknete
sich mit einem Papiertaschentuch die Stirn.
»Wir sind ja gleich da, Böfingen ist die Adresse?«,
fragte Linkohr nach und rollte jetzt auf der Landstraße in Richtung Ulm.
»Ja, Böfingen«, Häberle holte umständlich einige
Notizzettel aus der rechten Hosentasche und vergewisserte sich, »Hofmann heißt der
Knabe.«
»Der hat mit dem Bruder Fronbauer ein Geschäft
machen wollen?«, fragte Linkohr.
»Ja”, so sagt der Fronbauer, »was ich im
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