Himmelsfelsen
Übrigen
auch gar nicht bezweifle. Mir geht es auch nicht in erster Linie darum, das Alibi
dieses Fronbauers zu überprüfen, sondern um das Umfeld der Brüder. Wen haben die
gekannt, mit wem waren sie zusammen? Gibt es Gemeinsamkeiten?«
»Aber dass der Bruder der Täter sein könnte,
daran glauben Sie nicht im Ernst?« Linkohr sah den Soko-Chef von der Seite an.
»Was ich glaube oder nicht, was spielt das
schon für eine Rolle? Fakten sind maßgebend, Beweise, Indizien. Und da spricht momentan
nichts für eine Täterschaft. Irgendwie ist mir dieses Lokal nicht geheuer.«
Das gesuchte Haus war schnell gefunden und Häberle hatte vor der Abfahrt
anrufen lassen, um ihren Besuch anzukünden. Hofmann wusste also Bescheid, wer kommen
würde.
Der junge Mann mit den schwarzen Lockenhaaren
führte sie in sein helles Wohnzimmer, das mit modernen Möbeln eingerichtet war.
An den Wänden hingen abstrakte Gemälde, von den Decken baumelten kunstvolle Figuren
und Gebilde, die sich bei jeder schwachen Luftbewegung drehten. Die Terrassentür
stand weit offen.
»Bleiben wir drinnen«, schlug Hofmann vor,
»auf der Terrasse ist es nicht auszuhalten.« Sie nahmen in Sesseln Platz.
»Man hat mir ausgerichtet, worum es geht«,
begann Hofmann, der kurze Jeans und ein T-Shirt trug.
»Sie hatten gestern einen Termin mit Daniel
Fronbauer?«, fragte Häberle.
»Richtig, um zehn Uhr, er war auch kurz hier,
hat dann aber gesagt, er müsse dringend weg und werde sich wieder melden, was er
dann aber nicht getan hat«, berichtete Hofmann.
»Dürfen wir wissen, was Sie zu besprechen hatten?«,fuhr
Häberle fort.
»Das ist kein Geheimnis. Fronbauer ist Finanz-
und Immobilienmakler, wie Sie sicher wissen. Seinem Bruder Gerald gehört hier in
Ulm das ›High-Noon‹, da trifft man sich, da plaudert man, ja und da hört man dieses
und jenes, wie man Geld anlegen kann, günstig, verstehen Sie, lukrativ …«
»Quellensteuer-frei«, wandte Linkohr lächelnd
ein.
»Das auch, aber wer tut das nicht, seien Sie
ehrlich.«
»Keine Sorge, wir sind nicht von der Finanzverwaltung«,
winkte Häberle ab, »das interessiert uns im Detail überhaupt nicht. Uns geht’s um
Mord.«
Hofmann wurde blass. Es dauerte einige Sekunden,
bis er wieder etwas sagen konnte: »Sagten Sie Mord? Wie darf ich das verstehen?«
»Gerald Fronbauer ist tot, ermordet«, erklärte
Linkohr kurz und knapp.
»Das darf nicht wahr sein«, sagte Hofmann und
stand auf. Er ging zur Terrassentür.
»Doch, leider Gottes«, sagte Häberle und erhob
sich ebenfalls, »der Tod seines Bruders war es, der Daniel Fronbauer gestern Vormittag
davon abgehalten hat, mit Ihnen ins Geschäft zu kommen.«
»Aber wer tut so etwas, wer hat ihn umgebracht?«
Hofmann drehte sich wieder zu den Kriminalisten um. Häberle stand ihm gegenüber.
»Das zu ergründen, beschäftigt uns seit gestern«,
erwiderte der Soko-Leiter theatralisch.
»Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann,
werde ich das tun«, fand Hofmann die Fassung wieder. Er ging zu seinem Sessel zurück
und setzte sich.
»Um genau dieses möchten wir Sie ganz herzlich
bitten«, fuhr Häberle fort und setzte sich auch wieder.
»Wo ist es denn passiert?«,wollte Hofmann wissen
und strich sich mit der linken Hand durch die schweißnassen Locken.
»In seiner Heimatstadt, in Geislingen, genauer
gesagt beim Joggen. Man hat ihn gestern Morgen von einem Felsen gestoßen.«
»Von diesem … Himmelsfelsen …?«
Häberle staunte. »Sie kennen ihn?«
»Ja«, machte Hofmann weiter, »Gerald hat immer
davon geschwärmt, hat gesagt, wie traumhaft es sei, frühmorgens von da oben runterzuschauen.«
»Sie wussten also von seinen Jogging-Trips?«,
hakte Linkohr ein.
»Ja, klar, das wusste doch jeder. Gerald ist
ein sportlicher Typ, er hat es bei jeder Gelegenheit bedauert, dass ihm viel zu
wenig Zeit für den Sport geblieben ist.«
Häberle änderte das Thema abrupt: »Darf ich
fragen, welcher Art die Geldanlage sein sollte, die Sie gestern mit ihm besprechen
wollten?«
Hofmann überlegte kurz, sagte dann: »Er hat
von einer lukrativen Sache gesprochen, ohne konkret zu werden.«
»Immobilien, oder etwas anderes?«,blieb Häberle
hartnäckig.
»Tut mir leid, keine Ahnung.«
»Was machen Sie denn beruflich?«,wollte Linkohr
wissen.
»Ich bin freischaffender Künstler.«
»Und davon kann man leben, ich meine, hier
in Ulm?«, fragte Häberle.
»Nicht in Ulm«, erklärte Hofmann schnell, »da
brauchen Sie Kontakte nach auswärts, in
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