Himmelsfelsen
Stelle. Schuhe, Taschen, Regenschirme, sein Fotoapparat, alles lag auf den
Fliesen. Aus Schnellheftern waren Seiten gerissen und zerknüllt weggeworfen worden.
Fronbauer blickte fassungslos auf das Chaos. Mit einem mal war er wieder hellwach.
Er stieg über die Gegenstände hinweg, die am Boden lagen, um zur Wohnzimmertür zu
gelangen. Durch deren Glasfüllung fiel das Licht der Flurlampe hinein. Schon beim
Näherkommen sah er, dass auch dort gewütet worden war. Gerade, als er die Tür öffnen
wollte, traf ihn durch die Scheibe ein greller, messerscharfer Lichtstrahl. Fronbauer
blieb wie gelähmt stehen. Gleichzeitig hörte er eine Männerstimme aus dem Wohnzimmer
schreien: »Halt, keine Bewegung mehr.« Fronbauer war geblendet. Er konnte nicht
erkennen, wer sich in seinem Wohnzimmer befand.
»Nicht hereinkommen, sonst knallt es« drohte
die Stimme, »halt dich raus, halt dich raus. Hast du kapiert?«
Fronbauer stand noch immer regungslos vor der
geschlossenen Glastür. Er war nicht einmal in der Lage, dem Lichtstrahl auszuweichen.
Wie gebannt starrte er auf ihn, sodass seine geblendeten Augen immer weniger von
der Umgebung wahrnehmen konnten.
»Ich hab’ dich gefragt, ob du das kapiert hast,
Fronbauer!«,brüllte der Mann im Wohnzimmer.
»Ja«, schrie Fronbauer zögernd zurück.
»Du wirst deine verdammten Drecksfinger vom
›High-Noon‹ lassen.«
Fronbauer überlegte, was damit gemeint sein
könnte.
»Hast du verstanden?«,schrie der Mann im Wohnzimmer.
»Ich bin ja nicht taub«, sagte Fronbauer jetzt
energisch und mutig.
»Denk dran«, fuhr die Stimme fort, »es könnte
dir schlecht bekommen, falls du zur Polizei rennen solltest. Sehr schlecht, Fronbauer,
ganz schlecht …«
An den Bewegungen des Lichtstrahls erkannte
Fronbauer, dass sich der Fremde langsam entfernte, vermutlich zur Terrassentür hinüber.
Dort erlosch der Strahl. Fronbauer starrte in das dunkle Wohnzimmer, wo der Boden
bis zur Tür her mit Gegenständen übersäht war. Er wartete noch einige Sekunden,
ehe er eintrat und den Lichtschalter betätigte. Er spürte jetzt, wie sein Puls raste.
Vor ihm lag alles, was zuvor in Schränken und auf Bücherregalen untergebracht war.
Ein wildes Durcheinander: Bücher, zerschlagene Gläser, zersprungenes Porzellan,
die Stereoanlage, unzählige CDs und Kassetten.
Selbst die Lampe, die über dem Couchtisch von
der Decke hing, war zertrümmert.
Fronbauer holte tief Luft und stieg über die
Teile seiner zerstörten Einrichtung zur aufgebrochenen Terrassentür. Dort blieb
er stehen und betrachtete sich das Chaos. Ihm war klar: Das würde er nicht hinnehmen.
Er wollte sich nicht einschüchtern lassen. Von niemandem, auch nicht in seiner derzeitigen
Situation.
Er versuchte, die Terrassentür zuzudrücken,
was jedoch nicht gelang, weil der Schließmechanismus verbogen war. Dann ging er
ins Schlafzimmer, wo der unbekannte Einbrecher auf die gleiche Weise gewütet hatte.
Fronbauer schüttelte fassungslos den Kopf. Die Wohnung war ruiniert.
20
Es würde ein schwüler Tag werden. Häberle war an diesem Donnerstag
schon kurz nach sieben von Göppingen nach Geislingen gefahren. Die Sonne, die längst
hinter den Bergen der Schwäbischen-Alb-Kante hervorgekommen war, stach bereits wieder
unbarmherzig gegen die Windschutzscheibe.
In Geislingen winkte Häberle beim Betreten
des Polizeireviers den Beamten an der Wache zu und stieg ins erste Obergeschoss
hinauf. Im dortigen Lehrsaal waren bereits wieder einige Kollegen versammelt, die
Akten studierten und telefonierten. Sie nickten ihm zu, ohne sich von der Arbeit
ablenken zu lassen. Häberle blätterte die neueste Ausgabe der »Geislinger Zeitung«
durch und blieb bei Sanders Artikel zum Mordfall hängen. Er las ihn flüchtig und
war zufrieden. »Chef, wir haben da eine interessante Sache«, kam einer der jungen
Kollegen auf Häberle zu.
»Ich höre …«, sagte Häberle und lächelte sympathisch.
»Anruf von einem Mitarbeiter der Wetterstation
in Stötten. Autenrieter heißt er, Sie erinnern sich? Das ist der, dessen Telefonnummer
wir in Fronbauers Handy gefunden haben.«
Häberle nickte.
»Dieser Mann ist heut’ Nacht bedroht worden«,
fuhr der Kriminalist fort, »während der Arbeit, beim Ablesen der Instrumente. Er
macht einen völlig entnervten Eindruck. Ich hab’ ihm gesagt, wir melden uns.«
Häberle zeigte sich überrascht und entschied:
»Das tun wir sofort. Ich fahr’ zu ihm hoch. Ist er jetzt zu Hause?«
»Ja, er hat den Nachtdienst
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