Himmelsgöttin
die schmollten.
»Warum seid ihr so mies drauf, Jungs? Hat jemand euren Hund abgestochen?«
»Nein«, sagte Malink, der die Frage nicht ganz verstanden hatte. »Heute wir essen Schildkröte.«
Tuck konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß, wenn einem der Hund abgestochen wurde, dies hier offensichtlich etwas anderes bedeutete als in Texas.
Malink bemerkte Tucks Verwirrung. »Sie sind traurig, weil die Himmelsgöttin die Liebesdienerin aus ihrem Haus erwählt hat, und sie wird wegbleiben viele Tage.«
» Liebesdienerin ?«
»Das Mädchen, dem du letzte Nacht nachgegangen bist, ist die Liebesdienerin aus dem Jungmännerhaus.«
»Oh, tut mir leid, das zu hören, Jungs«, sagte Tuck, ohne sich anmerken zu lassen, daß er nicht den blassesten Schimmer hatte, was mit Liebesdienerin gemeint war oder was es bedeutete, auserwählt zu sein. Er nahm an, daß es irgendwas mit dem prämenstruellen Syndrom zu tun hatte. Vielleicht war es ja so, daß sie die Frauen, wenn sie schräg draufkamen von den Krämpfen, die ihnen von der alten Himmelstante verpaßt wurden, in eine spezielle Hütte für die »Auserwählten« schafften, bis sie sich wieder abgeregt hatten. Er wartete, bis die Schale wieder zu ihm kam, bevor er das Thema erneut anschnitt. »Also diese Himmelsgöttin hat sie auserwählt, hm? Schöne Scheiße. Habt ihr's mal mit Schokolade probiert? Damit kriegt man sie manchmal wieder rum.«
»Wir ihr geben Spezial-Tuba, wenn sie kommt«, sagte Malink.
»Schmeckt wie Scheiße«, riefen einige der Männer im Chor.
Abo, der Wilde, sagte: »Ich bin auserwählt, und jetzt ist Sepie auserwählt. Ich werde sie heiraten.«
Bei der Mehrzahl der jüngeren Männer stieß diese Ankündigung nicht gerade auf Begeisterung.
»Mach mal halblang«, sagte Tuck. »Deine Einstellung ist ja ganz löblich, aber du bist nie im Leben auserwählt.«
»Bin ich doch«, beharrte Abo. »Sieh her.« Er wandte der Gruppe seinen Rücken zu und strich mit dem Finger über eine lange rosige Narbe, die diagonal zu seinen Rippen verlief. »Die Himmelsgöttin hat mich für Vincent auserwählt, als die Brotfrucht reif war.«
Tuck starrte auf die Narbe. Er war wie vor den Kopf geschlagen und hoffte, daß das, was er nun dachte, genauso abwegig war wie seine PMS-Theorie. »Die Himmelsgöttin? War das die Musik letzte Nacht? Und der ganze Krach?«
»Ja«, sagte Malink, »Vincent bringt sie in seinem Flugzeug. Wir es niemals sehen, aber wir hören es.«
»Und wenn jemand auserwählt wird, fliegt dann jedesmal der Lear-Jet am nächsten Tag los?«
Malink nickte. »Für lange Zeit niemand war auserwählt. Bis Vincent dich geschickt hat, um das weiße Flugzeug zu fliegen. Wir haben gedacht, Vincent ist zornig auf uns.«
Tuck schaute Abo an, der einen zufriedenen Eindruck machte, nun, da sein Häuptling ihn unterstützte. »Wohin geht man, wenn man auserwählt wird?«
»Man geht in das weiße Haus, wo der Medizinmann wohnt. Dort gibt es viele Maschinen.«
»Und was dann? Was passiert in dem weißen Haus?«
»Das ist Geheimnis.«
Tuck sprang von seinem Platz und sah Abo eindringlich an. »Was passiert da?«
Abo bekam es offensichtlich mit der Angst zu tun und wandte sich ab. Tuck warf einen Blick in die Runde. »Wer ist noch auserwählt worden?«
Der dicke Junge, der nachgeschenkt hatte, drehte sich um, so daß Tucker die Narbe auf seinem Rücken sehen konnte.
»Wie heißt du, Kleiner?«
»Vincent.«
»Das hätte ich wissen sollen. Vincent, was passiert in dem weißen Haus?«
Der junge Vincent schüttelte den Kopf. Tuck wandte sich an Malink. »Was passiert da?«
Malink schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich bin nie auserwählt worden.«
Eine vertraute Stimme rief aus der Dunkelheit. »Sie machen sie schlafen.«
Alle wandten sich um und sahen Kimi, der den Pfad vom Dorf entlangkam. Der alte Kannibale trottete mit knirschenden Gelenken hinter ihm her.
Abo blaffte Kimi in seiner Eingeborenensprache an, und Kimi bellte etwas in der gleichen Sprache zurück. Tuck mußte die Sprache nicht verstehen, um mitzubekommen, daß Kimi dem Wilden geraten hatte, sich zu verpissen.
»Kimi, bist du in Ordnung?« Tuck erkannte den Seefahrer kaum wieder. Er trug einen blauen Lendenschurz wie die Haifischmenschen, und es schien, als habe er einiges an Muskeln zugelegt. Tuck freute sich von ganzem Herzen, ihn wiederzusehen. Der Seefahrer rannte auf ihn zu und schlang seine Arme um den Piloten. Ohne groß nachzudenken erwiderte Tuck die
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