Himmelsgöttin
Strand einschlafen, und wenn sie wieder aufwachten, wären sie zu hundertfacher Größe angewachsen und ganz versessen darauf, sich mit Godzilla herumzuprügeln, während in den brennenden Trümmern zu ihren Füßen winzige Leute herumstolperten, deren Mundbewegungen nicht das geringste zu tun hätten mit dem, was sie sagten? (So was passierte in japanischen Filmen doch andauernd, oder?) Viel zu gut für diese Säcke.
Er zog die Schwimmflossen an und verbeugte sich in ihre Richtung, als er rückwärts ins Wasser ging. »Mögen eure Eier zu Rosinen schrumpfen«, sagte er, ein Lächeln auf den Lippen.
Sie erwiderten seine Verbeugung, jedoch mehr aus einem Reflex heraus als aus Respekt.
Über das Riff hinaus und dann fünfhundert Meter daran entlang: Die Ninjas würden ausrasten. Er war noch nie über das Riff ins offene Meer geschwommen. Innerhalb des Riffs war das Wasser klar und aquamarinblau. Man konnte stets den Grund sehen, und die Fische schienen, wenn schon nicht freundlich, so doch zumindest nicht gefährlich zu sein. Auf der zum Ozean liegenden Seite des Riffs, hinter der Brandungslinie, hingegen war das Wasser kobaltblau. So tief und undurchdringlich wie der Nachthimmel. Die farbenfrohen Fische des Riffs mußten auf die Jäger aus den blauen Tiefen wirken wie M & Ms, dachte Tuck. Der äußere Rand des Riffs ist der Teller mit Süßigkeiten für die Monster.
Er paddelte gemächlich auf das Riff zu und ließ sich von dem leichten Seegang schaukeln, während er die bunten Glieder der Nahrungskette bei ihrem Treiben am Meeresgrund beobachtete. Ein Triggerfisch, der mit seiner bräunlichen Färbung besser in die Wüste gepaßt hätte, ließ sich die Beine einer Krabbe schmecken, während eine Gruppe kleinerer Fische um ihn herumwuselte und versuchte, die im Wasser treibenden Reste aufzuschnappen. Tuck hob den Kopf und schaute sich nach der einzigen sichtbaren Lücke im Riff um. Es war ein tiefblauer Kanal, auf den er nun zuschwamm. Er mußte an dieser Stelle das Riff durchqueren und die fünfhundert Meter draußen daran entlangschwimmen, weil ihn andernfalls die Brandung auf die Korallen schleudern würde, wenn er versuchte, das Riff schwimmend zu überqueren.
Er hielt den Kopf wieder unter Wasser und paddelte durch den Kanal, bis der Boden unter ihm verschwand. Als er die Brandungslinie hinter sich gelassen hatte, wandte er sich nach rechts und schwamm parallel zum Riff weiter. Es war, als ob man am Rande eines Canyons im All herumtrieb. Er konnte sehen, wie das Riff fünfzig Meter tief nach unten abfiel und schließlich in einem blauen Nebel verschwand. Er suchte sich Orientierungspunkte am Riff, um zu sehen, wie schnell er vorwärts kam, und ließ seinen Blick von einer Koralle zu einer Seeanemone weiterwandern und von dort zu einer Fächerkoralle und einem Aal, der seinen Kopf aus einer Felsspalte streckte – gerade so, als wenn er von einem Stein zum nächsten hüpfen würde, um einen Bach zu überqueren. Denn zu seiner Linken gab es keinerlei Anhaltspunkte, nichts außer blauer Leere, und wenn er in diese Richtung sah, fühlte er sich wie ein Kind, das in der sicheren Erwartung des Schrecklichen aus dem Fenster schaut, so daß jede Gestalt, jede Bewegung und jeder Wechsel des Lichts zum schieren Horror wird. Er sah neben sich etwas aufblitzen und wirbelte herum, nur um festzustellen, daß es ein harmloser Papageienfisch war, der an einer Koralle knabberte. Er zog an seinem Schnorchel, ohne zu bedenken, daß dieser nicht mehr aus dem Wasser ragte, und wurde von einem Hustenanfall geschüttelt.
Er mußte sich eine volle Minute reglos auf der Wasseroberfläche treiben lassen, bevor er wieder normal atmen konnte. Dann paddelte er weiter am Riff entlang, dieses Mal jedoch beseelt von einem festen Glauben: Was auch immer, wer auch immer dieser Vincent sein mochte, er hatte Tuck das Leben gerettet, und er wußte Bescheid. Er würde sich kaum die ganze Mühe gemacht haben, damit Tuck nun von Barrakudas aufgefressen wurde.
Tuck gab es auf, anhand von irgendwelchen Orientierungspunkten am Riff festzustellen, wie weit er gekommen war. Die einzige Möglichkeit, das herauszufinden, wäre, weiter hinauszuschwimmen, um über die Brandung hinweg den Strand anzuvisieren, aber was sich oberhalb des Wasserspiegels befand, war ohnehin nicht von Bedeutung. Dies war eine fremde Welt, und er war ein ungebetener Gast.
Dann blitzte erneut etwas auf, doch diesmal kämpfte er gegen seine Panik an. Dort unten, in etwa zehn
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