Himmelsgöttin
geweckt. »Zieh ihr was an, mein Sohn. Einen nackten Arsch in der Wochenschau können wir uns nicht erlauben.«
»Jawohl, Sir. Aber obenrum muß ich nichts ändern, oder?«
Der Major lächelte. »Mein Sohn, wenn du obenrum was änderst, lasse ich dich vors Kriegsgericht stellen.«
»Jawohl, Sir.«
Moses salutierte dem Major und kletterte mit seinen Pinseln und seiner roten Lackfarbe wieder auf die Leiter und malte einen Schal, der sich zwischen ihren Beinen hindurchschlängelte.
Eine Woche später, als ein junger Pilot namens Vincent Benedetti seine Crew über die Startbahn führte, um mit der Himmelsgöttin zu ihrem ersten Einsatz zu starten, wandte er sich an seinen Navigator und sagte: »Ich würde einen ganzen Jahressold drangeben, wenn ich dieser Schal sein könnte.«
Ein halbes Jahrhundert später steckte sich Beth Curtis eine rote Schleife ins Haar und schlüpfte dann – vorsichtig, ein Bein nach dem anderen – in ihre glänzenden schwarzen Nahtstrümpfe. Sie stellte sich vor dem Spiegel auf und band sich den roten Schal so um die Hüften, daß die Enden zwischen ihren Beinen herabhingen. Dann stieg sie in ihre roten Pumps, drehte sich noch einmal vor dem Spiegel herum und trat aus ihrem Bungalow hinaus ins Freie. Die Luft war erfüllt vom Getrommel des Haifischvolks, um sie, die Himmelsgöttin, willkommen zu heißen.
Vincent Benedetti und seine Crew flogen zwölf Einsätze mit der Himmelsgöttin und versenkten sechs japanische Schiffe, bevor die Flaksalve eines japanischen Zerstörers ihre Tragflächentanks durchlöcherte und den rechten Motor zerstörte. Aber selbst da noch, als sie sich schwer angeschlagen nach Tinian quälten und eine Wolke aus Rauch und Treibstoff hinter sich herzogen, wußte die Crew der Himmelsgöttin, daß sie über sie wachte. Immerhin hatte ihr Glück sie nicht verlassen. Alles, was sie zu tun brauchten, war, der Himmelsgöttin einen Kuß zuzuhauchen oder ihr den Hintern zu tätscheln, und zum Lohn dafür führte sie sie durch die Schlacht wie ein wütender Racheengel und hielt ihre schützende Hand selbst dann über sie, wenn die anderen Bomber ihres Geschwaders in Flammen stehend ins Meer hinabstürzten. Sie hatte ihnen gezeigt, wo sie ihre Bomben niedergehen lassen mußten, und sie danach sicher durch den Rauch und das Feuer der Flakgeschütze zurück nach Walhalla geleitet. Nach Hause. In Sicherheit.
Über das Intercom tauschten der Copilot und der Navigator Informationen aus: Fluggeschwindigkeit, Spritverbrauch und nun auch Sinkgeschwindigkeit. Wenn sie noch mehr an Vortrieb verloren, würde der Auftrieb abreißen, und so brachte Captain Vinnie die B-26 mit einer Sinkgeschwindigkeit von dreißig Metern pro Minute runter in schöne, dickere Luftschichten. Das Problem war nur: Je tiefer sie flogen, desto schneller verbrannte ihr Treibstoff.
»Ich werd sie auf sechshundert halten«, sagte Captain Vinnie.
Der Navigator führte ein paar schnelle Rechenoperationen durch und erwiderte: »Bei sechshundert fehlen uns noch fünfhundert Kilometer bis zum Stützpunkt, Captain. Ich empfehle, daß wir auf neunhundert bleiben, da ist der Absprung sicherer.«
»Oh, du kleinherzige Arschgeige, schwach ist dein Glaube«, sagte Vincent. »Schau auf deinen Karten nach, ob wir sie irgendwo runterbringen können.«
Der Navigator stellte ihre derzeitige Position fest und schaute in seine Karten, wo ein Fliegenschiß ein Atoll namens Alualu markierte, das etwa vierzig Seemeilen südlich von ihnen lag. Außerdem war es in amerikanischer Hand. Er gab diese Informationen seinem Captain weiter.
»Laut Karte gibt es dort einen Behelfsflugplatz, der aber nicht fertig ist. Wie's aussieht, haben wir die Japaner verjagt, bevor sie damit fertig geworden sind.«
»Gib mir den Kurs.«
»Sir, kann sein, daß da überhaupt nichts ist.«
»Du verfickter Scheißer, sieh mal zum Fenster raus! Siehst du da irgendwas außer Wasser?«
Der Navigator gab ihm den Kurs durch.
Vincent tätschelte die Gashebel und sagte: »Komm schon, Honey. Du bringst uns sicher ans Ziel, und ich baue dir einen Schrein.«
Sarapul war auf dem Weg zum Strand zur Trinkrunde der Männer, als er die Trommeln hörte, die die Himmelsgöttin willkommen hießen. Diese weiße Schlampe kaufte ihm schon wieder den Schneid ab. Den ganzen Nachmittag hatte er darüber nachgegrübelt, was er der Trinkrunde sagen würde: wie notwendig es war, daß das Haifischvolk wieder zu seinen alten Sitten und Gebräuchen zurückkehrte und
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