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Himmelsgöttin

Himmelsgöttin

Titel: Himmelsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Gefahr spürend glich der Oktopus seine Farbe dem Rostbraun der Korallen in seiner unmittelbaren Umgebung an und preßte sich fest in die Ritzen seines Verstecks. Sarapul hielt sich mit der linken Hand am Rand der Spalte fest und stieß mit der Rechten den Speer hinein. Kaum daß der Speer einen der Tentakel des Oktopus durchbohrt hatte, färbte dieser sich wie in einem chromatischen Aufschrei grellrot und stieß dann seine Tinte aus, die sich im Wasser ausbreitete wie eine Rauchwolke. Sarapul ließ seinen Speer fallen, um die Tinte wegzuwedeln, bevor er zu einem neuen Stoß ansetzte, doch ihm ging die Luft aus. Er ließ seinen Speer in der Spalte und schoß hinauf zur Wasseroberfläche. Der Oktopus spürte die Gelegenheit und schoß aus der Spalte heraus zu einem neuen Versteck, bevor Sarapul bemerkte, daß er verschwunden war.
    Fluchend stieß Sarapul an die Wasseroberfläche. Drei Faden – gerade mal sechs Meter. Und er konnte nicht mal lange genug unten bleiben, um einen Tintenfisch aus seinem Loch zu locken. Als junger Mann war er zwölf Faden tief getaucht. Er konnte länger unter Wasser bleiben als jeder andere aus dem Volk der Haifischmänner. Er war froh, daß niemand in der Nähe war, der ihn gesehen hatte: Ein alter Mann, der sich kaum noch selbst ernähren konnte.
    Er setzte seine Maske ab, spuckte hinein und spülte sie mit Seewasser aus. Er schaute aufs Meer hinaus, um zu sehen, ob es irgendein Anzeichen von den Haien gab, von denen es ganze Scharen in den Gewässern vor dem Riff gab. Da draußen war ein Boot. Es trieb eine halbe Meile vor dem Riff dahin. Er setzte seine Maske auf und schaute hinab, damit er ungefähr wußte, wo sein Speer steckte, wenn er nachher wieder zurückkam, um ihn einzusammeln. Dann kraulte er langsam auf das treibende Boot zu.
    Als er das Boot erreichte, war er so außer Atem, daß er sich erst einmal für ein paar Minuten an die Seite des Rumpfes klammerte und von den Wellen auf und ab schaukeln ließ, bis er sich erholt hatte. Dann schwamm er vor zum Bug, zog sich hoch und kletterte hinein. Eine riesige schwarze Fledermaus flatterte ihm ins Gesicht und flog dann davon zur Insel. Sarapul stieß einen Fluch aus und sagte ein paar magische Worte, um sich zu schützen. Dann holte er tief Luft und untersuchte die Körper.
    Ein Mann und eine Frau – und noch nicht lange tot. Weder stank es besonders, noch waren die Bäuche aufgedunsen. Das Fleisch war also noch frisch. Es war schon gar zu lange her, seit er zum letztenmal den Geschmack von Langschwein auf der Zunge gespürt hatte. Er kniff dem Mann ins Bein, um zu sehen, wie fett er war. Der Mann stöhnte. Er war noch am Leben. Um so besser, dachte Sarapul. Dann kann ich den Toten essen und den anderen frischhalten!
     

TEIL ZWEI
Die Insel des Haifischvolks
     

23
Deus ex machina
     
    Die Himmelsgöttin erschien 1944 zum ersten Mal auf der Nase eines B-26-Bombers. Von einem jungen Flieger namens Jack Moses aus ein paar Dosen Lackfarbe hervorgezaubert, lag sie kühl und unnahbar nackt ausgestreckt auf der Aluminiumhaut des Flugzeuges, einen roten hochhackigen Schuh auf der Spitze ihres zierlichen Zehs balancierend – mit einem Lächeln, das Vergnügungen verhieß, die kein weibliches Wesen aus Fleisch und Blut jemals auch nur in Aussicht stellen konnte. In dem Augenblick, als Moses den letzten Pinselstrich an ihren schwarzen Nahtstrümpfen anbrachte, wußte er, daß er hier etwas ganz Besonderes geschaffen hatte, etwas, das Elektrizität und Leben verströmte, und daß es sein Herz brechen würde, wenn sie mit ihr davonflogen zum Pazifik. Er fing mit der Handfläche einen Kuß ein und drückte ihn ihr sanft auf den Po. Dann stieg er die Leiter hinunter, um sein Werk zu begutachten.
    Etwa eine Stunde stand er auf dem Rollfeld und tat nichts weiter, als sie voller Verzückung anzuschauen, beseelt von dem Wunsch, sie mit nach Hause zu nehmen oder in ein Museum zu bringen oder sie vom Rumpf des Bombers abzulösen und an die Decke einer Kathedrale zu hängen.
    Daß der Major neben ihm stand, bemerkte Jack Moses erst, als der ältere Mann das Wort an ihn richtete.
    »Sie ist 'ne Wucht«, sagte der Major. Und obwohl er nicht genau wußte, warum, zog er seinen Hut.
    »Nicht wahr«, sagte Moses. »Morgen zischt sie los nach Tinian. Ich wollte, ich könnte mit ihr mitkommen.«
    Der Major streckte den Arm aus und drückte Moses die Schulter; er war ein wenig kurzatmig, und die Himmelsgöttin hatte einiges an Männerphantasien in ihm

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