Himmelsgöttin
Boden – selbst diejenigen, die ihre Kinder vorwärts schoben, in der Hoffnung, daß sie als nächste auserwählt würden. Die Himmelspriesterin warf die Enden ihres Schals über ihre Schulter, und die Musik aus der Lautsprecheranlage brach abrupt ab. Die Haifischmenschen fielen auf die Knie und warteten auf die Worte aus ihrem Mund, die Worte von Vincent. Es war schon viele Monate her, seit zum letzten Mal jemand auserwählt worden war. Malink erhob sich und trat auf die Himmelsgöttin mit einer Tasse aus Kokosschale zu, die gefüllt war mit ganz speziellem Tuba, den man extra für sie gebraut hatte. Er war von ihrem Anblick in diesem Augenblick genauso hingerissen wie damals, als er sie zum ersten Mal gemalt auf dem Rumpf von Vincents Flugzeug gesehen hatte.
Sie trank die Tasse in einem Zug leer und reichte sie dem Häuptling zurück, der sie mit geneigtem Kopf entgegennahm.
»Schmeckt immer noch wie Scheiße«, sagte sie.
»Schmeckt wie Scheiße«, sangen die Haifischmenschen.
Beth Curtis wandte den Kopf ab, um ein Lächeln sowie einen Rülpser zu unterdrücken. Als sie sich Malink wieder zuwandte, stand ihr der blanke Zorn im Gesicht.
»Wer spricht für Vincent?«
»Die Himmelsgöttin«, antwortete Malink.
»Wer bringt die Worte und Geschenke von Vincent?«
»Die Himmelsgöttin«, wiederholte Malink.
»Und wer bringt die Auserwählten zu Vincent?«
»Die Himmelsgöttin«, sagte Malink erneut und trat einen Schritt zurück. Er hatte sie noch nie so wütend gesehen.
»Und wer sonst, Malink?«
»Niemand sonst.«
»Verdammt richtig, niemand sonst!« fauchte sie so heftig, daß ihr beinahe die Schleife aus ihrem Haar gefallen wäre. »Du hast dem Medizinmann gesagt, daß Vincent im Traum zu dir gekommen ist. Das ist nicht wahr.«
Den Haifischmenschen verschlug es den Atem. Egal, was die Himmelsgöttin oder der Medizinmann auch denken mochten, Malink hatte niemandem aus seinem Volk von dem Traum erzählt. Dennoch war Malink verwirrt. Er hatte von Vincent geträumt. »Vincent hat gesagt, daß der Pilot kommen wird. Daß er noch am Leben ist.«
»Vincent spricht nur durch mich.«
»Aber –«
»Keinen Kaffee und keinen Zucker für einen Monat«, sagte die Himmelsgöttin. Sie zog den Schal von ihren Schultern, und wieder erschallte die Musik. Die Haifischmenschen schauten ihr nach, als sie davonging. Es gab eine Explosion auf der Landebahn, und die Himmelsgöttin verschwand im Rauch.
24
Walhalla
Vincent Benedetti saß beim Pokerspielen mit fünf anderen Kerls an einem übergroßen Spieltisch und verteilte die Karten, während er die Geschichte seiner Bruchlandung mit der Himmelsgöttin erzählte, um seine Gegenspieler von seiner nicht ganz astreinen Mischtechnik abzulenken.
»Also der Knirps sagt zu mir, er sagt: ›Ich bin Malink, Häuptling der Haifischmenschen‹, und er klopft sich auf seine Hühnerbrust, als ob ich davon jetzt beeindruckt sein und auf die Knie fallen soll und seinen Ring küssen oder so – nur daß er gar keinen Ring anhat; um genau zu sein, er hat überhaupt nichts an außer einem Lendenschurz und einem kleinen Hut aus Palmwedeln, und so sage ich: ›Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Häuptling.‹ Und ich geb ihm einen eins a Hershey-Riegel als Zeichen des Friedens, damit ich sicher sein kann, daß er mich nicht mit seinem Speer durchlöchert. Ich hab zwar 'nen Roscoe in meinem Anzug, aber in Manhattan heißt es immer, es bringt Unglück, wenn man ein Kind abknallt, außer es hat's wirklich verdient, und deswegen probiere ich's lieber auf die diplomatische Tour.
Der Knirps von 'nem Häuptling schnappt sich also die Schokolade, probiert ein Stück, und plötzlich grinst der kleine Satansbraten über beide Ohren, und mit einem Mal geht mir auf, wie dieser Stamm zu seinem Namen gekommen ist – Haifischmenschen also. Bevor ich noch was sagen kann, ruft der Knirps seinen Kumpels irgendwas zu, und die zischen ab in den Dschungel, während ich seinen Speer im Auge behalte und er auf die Himmelsgöttin aufpaßt wie ein Luchs, als ob sie jeden Moment vom Flugzeug runterspringen könnte, um arschwackelnd über die Rollbahn zu tanzen.
Mittlerweile sind wir ziemlich sicher, daß die Himmelsgöttin nicht brennt oder in die Luft fliegen wird, und so geht Sparky zurück und singt seine Mayday-Arie ins Funkgerät, bis ich denke, daß es allmählich sogar dem alten Marconi leid tut, daß er das Ding jemals erfunden hat (noch so ein italienisches Genie von hohem Rang, wie ich
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