Himmelsgöttin
sich, daß er niemals zum Häuptling geboren worden wäre.
Die Hohepriesterin schlief ebenfalls länger, doch bei ihr war es Gewohnheit. Der Medizinmann stupste sie an, und sie zog das Laken über den Kopf.
»Was?«
»Ich habe gerade einen Anruf bekommen – von Malink. Er sagt, Vincent hat ihm eine Botschaft geschickt.«
Schlagartig war die Hohepriesterin hellwach. Sie saß aufrecht in ihrem Bett, und sofort fiel der Blick des Medizinmanns auf ihre nackten Brüste. »Was soll das heißen, Vincent hat ihm eine Botschaft geschickt? Ich hab ihm keine Botschaft gegeben.«
Der Medizinmann schaffte es endlich, ihr ins Gesicht zu schauen. »Er war ganz durcheinander. Er sagte, daß Vincent im Traum zu ihm gekommen ist und ihm gesagt hat – paß gut auf –, er soll mir ausrichten, daß der Pilot am Leben ist und auf dem Weg und daß wir auf ihn warten sollen.«
Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und schüttelte den Kopf. »Ich kapier das nicht. Woher wußte er irgendwas von einem Piloten, der kommen sollte? Hast du irgendwas gesagt?«
»Nein, und du?«
»Spinnst du? Ich bin doch nicht blöde, Sebastian, auch wenn du das vielleicht glaubst.«
»Nun, wie hat er es dann erfahren? Die Wachen wissen nichts. Ich habe nichts davon erzählt.«
»Vielleicht ist es reiner Zufall«, sagte sie. »Vielleicht hat er einfach nur schlecht geträumt wegen dem Sturm. Vincent ist alles, woran er denkt. Die ganze Meute denkt an nichts anderes.«
Der Medizinmann erhob sich und trat vom Bett zurück, wobei er sie voller Mißtrauen musterte. »Zufall oder nicht, mir gefällt das nicht. Ich denke, du solltest eine Audienz für die Haifischmenschen abhalten und ihnen eine direkte Nachricht von Vincent übermitteln. Die ganze Operation steht und fällt damit, daß wir das Sprachrohr von Vincent sind. Wir können nicht zulassen, daß sie auf den Gedanken kommen, sie könnten direkt mit ihm in Kontakt treten.« Er wandte sich um und machte sich daran, das Zimmer zu verlassen.
»Sebastian«, sagte sie, und der Medizinmann blieb stehen und schaute über die Schulter zu ihr zurück. »Was ist mit dem Piloten? Was ist, wenn Malink recht hat und er tatsächlich auf dem Weg hierher ist?«
»Sei doch nicht blöde, Beth. Der einzige Weg, die Schar der Gläubigen unter Kontrolle zu halten, ist der, nicht selbst einer von ihnen zu werden.« Er wandte sich zum Gehen, doch da traf ihn ein Whiskey-Tumbler mit voller Wucht am Hinterkopf. Während er zu Boden sank und sich den Kopf hielt, drehte er sich wieder um.
Die Hohepriesterin stand neben dem Bett. Sie trug nichts weiter als eine feingliedrige goldene Kette um die Hüfte. Ihr Gesicht war eine wutverzerrte animalische Maske. »Wenn du mich jemals wieder blöde nennst, reiß ich dir deine verfickten Eier ab.«
21
Wie der Seefahrer es schaffte,
von dort nach hier zu kommen
Beim Anblick der Haie, die das Boot umkreisten, fühlte sich Tucker, als würde er vom Strudel eines gigantischen Badewannenabflusses hinabgezogen in die Tiefe.
»Wir brauchen eine bessere Waffe«, sagt Tuck. Er erinnerte sich an einen Film, in dem Spencer Tracy von seinem kleinen Boot aus mit einem Messer, das an ein Ruder gebunden war, gegen eine Schar von Haien gekämpft hatte. »Haben wir keine Ruder?«
Kimi schaute beleidigt drein. »Was mit mir nicht in Ordnung?«
»Keine Luder. Ruder !« Tucker vollführte eine Rudererpantomime. »Zum Rudern.«
»Woher ich wissen, was du meinen? Malcolme immer sagen Luder. ›Blöde Luder‹, er sagen. Nein, wir nicht haben Ruder.«
»Schöpfen«, sagte Tuck.
Der Seefahrer begann mit der Kaffeekanne Wasser zu schöpfen, während Tuck sich mit bloßen Händen nach Leibeskräften abmühte.
Eine halbe Stunde später war das Boot nur noch teilweise mit Wasser gefüllt, und die Haie waren weitergezogen, um sich anderswo ihre Mahlzeiten leichter zu verdienen. Tucker ließ sich in den Bug sinken und rang nach Atem. Zwar stand die Sonne noch niedrig am morgendlichen Himmel, aber sie brannte bereits auf seiner Haut. Die Stellen seines Körpers, die nicht mit Seewasser durchtränkt waren, waren klatschnaß vor Schweiß. Er griff in den Rucksack und zog die Ein-Liter-Flasche Mineralwasser hervor, die er am Tag zuvor gekauft hatte. Sie war halb voll, und das war alles, was sie hatten.
Tucker linste hinüber zu dem Seefahrer, der vollauf mit Wasserschöpfen beschäftigt war. Er würde es nie erfahren, wenn Tuck in diesem Augenblick das ganze Wasser trank. Er schraubte den
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