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Himmelsschatten

Himmelsschatten

Titel: Himmelsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cassutt , David S. Goyer
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einen Bestellblock hielt. Über der Bar hinter ihr wurde in einem leise gestellten TV ein buddhistischer Mönch zum Thema »Reinkarnation von Aliens« interviewt. »Was trinkt ihr?«
    Endlich hatte Harley aus den drei Räumen flüchten können, in denen er sich gezwungenermaßen während der letzten drei Tage aufhalten musste. Home-Team, Tresor, Mission Control – keiner dieser Orte eignete sich für diese Präsentation.
    Vom Campus aus hatte er sich zum »New Outpost« begeben, eine Bar auf der anderen Seite des NASA Parkway, gegenüber des Johnson Space Center. Der ursprüngliche »Outpost«, eine Baracke mitten auf einem Parkplatz, der mit mehr Kratern übersät war als ein ähnlich großes Gelände auf dem Mond, war jahrzehntelang eine ständige Einrichtung der Gemeinde gewesen, dann jedoch abgerissen worden.
    Jetzt gab es diesen schicken neuen Treff; an den Wänden hingen Fotos von Astronauten mit deren Autogram men, und hinter Glas wurden Memorabilia ausgestellt.
    Soweit Harley wusste, kam niemals ein Astronaut hierher. Und genau deshalb hatte er vorgeschlagen, sich hier zu treffen. Es war sehr unwahrscheinlich, dass er zufällig jemandem begegnete, mit dem er zusammen arbeitete.
    Mittlerweile wimmelte es im JSC von Reportern – und Dutzenden von Angestellten, deren Neugier und Selbstgefälligkeit dazu führte, dass sie sich über den Kodex zur Wahrung der Privatsphäre hinwegsetzten. Wenn ein Security-Wachmann oder ein Hilfskoch Weldon, Drake, Bynum und die anderen erspähte, wie sie die Köpfe zusammensteckten und sich berieten, stünde diese Nachricht Sekunden später im Netz.
    »Außerdem«, hatte Weldon gesagt, »muss ich mal vor dieses Tor treten.«
    Nun saßen sie also im »New Outpost«. Harley gab den Ton an, indem er zum Lunch ein alkoholisches Getränk bestellte, wobei er die Lunchzeit auf den späten Vormittag verlegte. Ganz im Stil der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, während der Apollo-Ära. Weldon ging so weit aus sich heraus, dass er ein Bier bestellte, und Sasha Blaine folgte seinem Beispiel. Je mehr Harley über sie erfuhr, umso sympathischer fand er sie … Williams, der ja seit Jahren keinen Alkohol mehr trank, blieb bei Sodawasser, Kennedy wollte gar nichts.
    »Also«, begann Harley, nachdem die Kellnerin an die Bar zurückgekehrt war, »wird der Vorschlag akzeptiert?«
    Kennedy lächelte höhnisch. »Du meinst, wir sollten die Destiny auf Keanu eine Bruchlandung machen lassen?«
    »Es ist keine richtige Bruchlandung«, widersprach Williams mit einer Stimme, die doppelt so laut war wie nötig – oder wie es ratsam gewesen wäre. Durch Harleys Mienenspiel gewarnt, fuhr der ältere Schriftsteller in gemäßigterem Ton fort: »Deshalb hat Harley ja gesagt, ihr sollt alles vergessen, was ihr über operative Einsätze wisst – die Annäherungsgeschwindigkeit wird so niedrig sein wie bei einem Rendezvous-Manöver zwischen der Destiny un…«
    »… und einem Raumschiff, das eine Million Mal größer und massiver ist«, fiel Shane Weldon ihm ins Wort und nippte an seinem Bier. Er wandte sich an Blaine. »Das ist natürlich nur eine wilde Vermutung. Sie sind für die Kalkulationen zuständig.«
    Blaine hatte ihren Tablet-Computer dabei. »Ich bin mir sicher, dass die Angaben für diese Diskussionen ausreichen, aber ich rechne trotzdem mal nach, nur für alle Fälle.«
    »Könnten wir jetzt mal ernsthaft werden?« Kennedy machte keinen Hehl mehr aus seiner Ungeduld. Er hatte bereits einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen.
    »Musst du dringend woanders hin, Josh?«, fragte Harley. »Spielen deine Kinder vielleicht irgendwo Fußball?« Er hatte Kennedy für einen dieser präzisen, asketischen jüngeren Männer gehalten, die hart arbeiteten, möglichst auf Alkohol und schlechte Gesellschaft verzichteten und sich nicht die Nächte um die Ohren schlugen. Eine Generation lang hatte dieser Persönlichkeitstyp bei den Missionseinsätzen dominiert. Vermutlich gehörte das mit zum Job; man konnte kein Säufer oder Schürzenjäger sein und gleichzeitig über die Ernsthaftigkeit verfügen, die erforderlich war, um einen Raumflug zu managen.
    Jedenfalls war das der gängige Mythos. Harley stimmte dem zu, dass Leute, die Regeln befolgten, bessere Flugleiter abgaben – solange der Job sich so definierte, dass man … die Flugregeln befolgte.
    Aber in einer Situation wie dieser, in der das Regelbuch kaum noch Gültigkeit hatte – wenn überhaupt –, brauchte die NASA einen Hasardeur, einen

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