Himmelsschatten
Riverboat-Glücksspieler. Einen Piraten. Jemanden wie Shane Weldon.
Keinen ernsthaften jungen Vater. »Seit wann geht dich mein Privatleben etwas an?«
»Es geht mich nicht das Geringste an«, erwiderte Harley. »Solange es dich nicht daran hindert, deinen Job zu erledigen.«
Kennedy war klug genug, um die allgemeine Stimmungslage zu erkennen, und im Augenblick wehte ihm ein kühler Wind entgegen. »Entschuldigung. Lasst uns mit der Arbeit anfangen.«
»Der Plan sieht vor, die Triebwerke der Destiny zu zünden und das Schiff in einer möglichst flachen Flugbahn hinunterzubringen …«
»Damit es über die Oberfläche schlittern kann?« Kennedys Stimme klang neutral, aber er war eindeutig immer noch entsetzt.
»Die Oberfläche besteht zum großen Teil aus Schnee«, erklärte Weldon. Kennedy warf ihm einen Blick zu, der besagte: Verräter . »Die Aufprallgeschwindigkeit könnte lediglich drei Meter pro Sekunde betragen.«
»Oder …«, sagte Harley, der keine Lust hatte, nach einem Wodka Tonic noch Rechenaufgaben zu lösen.
»Sechzig bis achtzig Stundenkilometer«, half Blaine aus und wurde rot. Lag es an der Anspannung, weil sie unter Druck so schnell gerechnet hatte? Sorgte das Bier für diese frische Hautfarbe? Oder war es etwas ganz anderes?
Die Zahlen hörten sich für Harley gut an, bis Kennedy sagte: »Bei der Geschwindigkeit würde mein Hyundai in sämtliche Einzelteile zerlegt.«
Williams suchte offenbar Streit. »Ihr Hyundai wurde nicht konstruiert, um ins Weltall geschossen zu werden und nach der Rückkehr vom Mond tausend Grad Hitze standzuhalten.«
»Wir beide wissen doch, dass es verschiedene Arten von Stabilität gibt. Schwingungsdämpfung und Hitzeschild sind nicht dasselbe wie Schlagfestigkeit, oder? Die Kacheln am Space Shuttle halten Temperaturen bis zu dreitausend Grad aus, aber lässt man einen Penny darauffallen, brechen sie mittendurch.«
Weldon mischte sich ein. »Josh, keiner hier behauptet, dass wir nicht eine Antenne verlieren könnten …«
Kennedy hatte seine Hände flach auf den kleinen Tisch gelegt. Er sah niemanden direkt an. »Ich mache mir Sorgen wegen der Solarmodule. Na schön, ein paar Tage lang kommt man vielleicht mit einem einzigen aus. Aber was passiert, wenn man versucht, ohne Daten von Houston das Schiff in die richtige Fluglage zu manövrieren, die Triebwerke zu zünden und in die Erdatmosphäre eindrin gen zu lassen?«
»In diesem Punkt wird die Mission Operations beweisen, was sie kann«, behauptete Harley. »Ihr werdet die Abflugzündungen und Zeiten vorausberechnen und in die Bordcomputer der Destiny laden, bevor wir das Schiff auf Keanu runterbringen.«
Kennedy nickte, obwohl er damit weniger sein Einverständnis zum Ausdruck brachte, sondern eher seine Ungeduld. »Ja, ja, ich hab’s kapiert. Wir machen also eine Bauchlandung auf der Oberfläche, ohne ein Loch in die Schiffshülle zu reißen oder beide Solarmodule und sämtliche Antennen zu verlieren.« Nun hob er den Blick. »Ihr habt vier, fünf Leute in Raumanzügen da oben. Wie zum Teufel kommen sie an Bord?«
Harley hatte nicht viel über dieses Problem nachgedacht. Weil die Destiny nicht für EVA -Einsätze ausgelegt war, besaß sie keine Luftschleuse von der Art, mit der man die Venture -Landefähre ausgestattet hatte. Das hieß, die Luken ließen sich nicht leicht öffnen. Ins Schiffsinnere gelangte man über den Bug – wo das Low-Impact-Docking-System dafür sorgte, dass man an die Venture ankoppeln konnte. Und dann gab es noch die Seitenluke, durch die die vierköpfige Crew das auf der Startrampe stehende Schiff betrat und nach der Landung wieder nach draußen gelangte.
In einem Notfall konnte man die Luft aus der Kapsel ablassen. Die Elektronik war gegen Vakuum geschützt. Aber welche Luke man öffnen musste und wie das Pro zedere aussah, stand nicht auf den ersten Seiten des Trainingshandbuchs, und die überlebenden Destiny -Astronauten würden entkräftet und völlig auf die Unterstützung vom Boden angewiesen sein.
»Diese Probleme zu lösen, das ist eure Aufgabe«, stellte Harley fest und spürte, wie der Wodka in seinem ganzen Körper eine wohlige Wärme verbreitete. »Welcher Weg ist besser, der durch die LIDS oder durch die Seitenluke?«
Kennedy hatte mittlerweile seinen eigenen Tablet gezückt und gab Notizen für sich selbst und für sein Team ein. Nichts macht einen Techniker glücklicher als ein verzwicktes technisches Problem.
»Es gibt noch mehr Herausforderungen«, sagte
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