Himmelsschatten
nur, dass dort kein Vakuum ist.« In dem Versuch, einen Verbündeten zu finden, der seinen vielleicht törichten Optimismus teilte – und sei es auch nur für eine kurze Zeit –, wandte sich Lucas an Tea. »Weiß man, wie die Anzüge unter Druckeinfluss funktionieren, wenn die Luft ein wenig Sauerstoff enthält?«
»Ja«, erwiderte Tea. »Und zwar exakt so wie im Vakuum. Wenn Zack und Natalia ihre Anzughelme nicht abgenommen und die in der Kaverne befindliche Luft eingeatmet haben, sind sie jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit tot.«
»Angenommen, sie haben sich hingesetzt … sich nicht bewegt … und auf diese Weise den Verbrauch an Atemluft reduziert?«
»Das wurde bereits einkalkuliert«, beschied ihm Taj.
»Diese Berechnungen können nicht exakt sein …«
»Das sind sie auch nicht!«, schnauzte Tea, die diese Diskussion offensichtlich beenden wollte. »Deshalb heißt dieses Unterfangen ja immer noch Rettungs- und Bergungsmission.«
Sie hatten die Membran erreicht. »Und hier marschieren wir einfach durch?«, fragte Taj, ohne seine Skepsis zu verhehlen.
»Die Membran ist ungefähr zehn Meter dick … vielleicht auch weniger«, erklärte Lucas.
»Kannst du dich nicht mehr erinnern, verdammt noch mal?« Schon wieder Tea.
Lucas erschrak, aber nicht nur, weil sie ihn in diesem Ton anherrschte. Es war ihm peinlich, weil ihre Worte aufgezeichnet wurden, auch wenn sie erst Stunden später gehört werden würden. »Die Begrenzungen sind kompressibel. Als ich die Membran ein zweites Mal passierte, kam sie mir dünner vor.«
Tea prüfte den Rand, wo die Membran an den Felswän den befestigt war. »Kann man uns hören?«, fragte Lucas.
»Nur in den beiden Zentralen von Mission Control«, erwiderte Taj. »Beide Seiten haben einem Blackout zugestimmt.«
»Es gibt für alles ein erstes Mal …«
Tea unterbrach sich, als die Membran sich plötzlich ausbeulte.
Jemand tauchte daraus hervor! Taj riss Tea vom Rand weg. »Alle Abstand halten!«
Es war Natalia, die aus der Membran stolperte.
Lucas fing sie auf. Sie war offensichtlich froh, die anderen Astronauten zu sehen, so glücklich, dass sie nur noch unzusammenhängend sprechen konnte. Halb auf Englisch, halb auf Russisch, stammelte sie etwas, das sich wie vorvolaka anhörte.
»Beruhige dich erst mal!«, redete Taj auf sie ein.
»Gott sei Dank kriegt das keiner zu Hause im Fernsehen mit«, meinte Tea, packte Natalia bei den Schultern und drehte sie so herum, dass sie ihr ins Gesicht sehen konnte. »Natalia, wo ist Zack?«
»Ich ließ ihn zurück …«
»Du hast was getan?«
»Warte, Tea.« Taj hatte den Sauerstoff-Status an Natalias Anzug abgelesen. »Wir müssen sie zum Rover bringen. Sie hat fast keine Atemluft mehr.«
»Scheiße! Das ist ja toll!« Tea ging hinüber zu Taj, jeder fasste Natalia unter, und gemeinsam schleppten sie sie zum Rover.
»Zack war okay, als ich ihn verließ«, sagte Natalia und fügte schnell hinzu, dass beide Astronauten ihre Helme abgenommen und Keanus Atmosphäre eingeatmet hatten.
Als Tea dies hörte, schien sie sich ein wenig zu entspannen. »Na schön. Was geht sonst noch da drin vor? Was bedeutet vorvolaka ?«
»Dieses Wort hätte meine Großmutter benutzt. Ein vorvolaka ist so etwas wie ein Geist oder ein Untoter.«
Obwohl sie sich merklich beruhigt hatte, seit sie zu ihren Astronauten-Kameraden gestoßen war, befand sich Natalia immer noch am Rande der Hysterie, und das Erste, was darunter litt, war ihr Englisch. Lucas hatte Mühe, sie zu verstehen.
»Warte, warte, warte!« Die Begriffe aus der Alten Welt stellten Teas Geduld offenkundig auf eine harte Probe. »Du redest Blödsinn!«
Mittlerweile hatten sie den Rover erreicht. »Es ist tatsächlich nicht zu fassen«, verteidigte sich Natalia und klopfte auf ihre Helmkamera. »Aber ich werde euch zeigen, was ich meine.«
Taj zog ein Verbindungskabel aus seiner Brusttasche. »Du zeigst es nicht nur uns, sondern auch Houston und Bangalore.«
7
»Ich heiße Rachel Stewart, und ich bin elf Jahre alt. Ich wohne Chestnut Drive, Clear Lake City. Mein Vater ist ein NASA -Astronaut. Meine Mutter macht mich mit
ihrer Kamera noch ganz verrückt.«
UNVERÖFFENTLICHTER TEXT VON RACHEL STEWART;
EINE HAUSAUFGABE IN DER SECHSTEN KLASSE
ST. BERNADETTE’S SCHOOL
»Was war mit Rachel?« Für Zack klang das so, als hätte »Megan« Angst zu fragen: Kam sie bei dem Unfall auch ums Leben? oder Wurde sie schwer verletzt?
»Das alles hat sie sehr mitgenommen, und sie war stark
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