Himmelssöhne - Das Erbe der Asaru (German Edition)
wurde dabei erwischt. Tja, Pech gehabt! Die haben ihn für ein paar Jahre ins Gefängnis gesteckt und nachdem er entlassen worden war, hat er irgendwie die Kurve nicht mehr gekriegt. Seitdem hängt er jeden Tag im Pub rum und gibt sich die Kante. Tut mir richtig leid, der arme Kerl. Aber ich glaube, das ist unser Mann. Wir sollten versuchen, an ihn ranzukommen.“
„An einen Gewohnheitstrinker? Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Kann man sich auf den verlassen? Ich meine, was ist, wenn die uns auch erwischen? Ich möchte nicht in den Knast wandern. Du etwa?“
„Jetzt mach dir mal nicht in die Hosen! Ich weiß von meinem Vater, dass dieser Willy ein herzensguter Mensch ist, auf den man sich hundertprozentig verlassen kann. Und wie gesagt: Er ist der Beste, jedenfalls war er das mal. Wir sollten uns also schleunigst auf den Weg machen, um mit ihm zu reden. Wir haben nichts zu verlieren, wir können nur gewinnen.“
Joe überlegte einen Moment, sah noch mal zum Bildschirm und nickte dann. „Okay, überzeugt!“, sagte er und gab Grace fünf. „Fahren wir mit meinem Wagen oder möchtest du lieber die Bahn nehmen?“
„Deine Rostlaube ist okay, wird schon nicht auseinanderfallen“, sagte Grace und schaltete ihren Computer aus. „Ich pack’ nur noch schnell ein paar Sachen zusammen, dann können wir los.“ Sie schwang sich rasant aus ihrem Bürosessel, der sie mit jammervollem Quietschen an einen längst überfälligen Tropfen Öl erinnerte. Dann huschte sie eilig an Joe vorbei, die Treppe hinauf ins Schlafzimmer, um in andere Klamotten zu schlüpfen.
„Ich habe wenigstens ein Auto“, rief er ihr hinterher.
„Sei froh, dass du nicht mit deinem Drahtesel losmusst!“ Er wendete seinen Rollstuhl mit einem kräftigen Schub am Handlauf eines Rades und rollte ins Wohnzimmer. Eilig schlang er seinen Toast mit Erdbeermarmelade hinunter und genehmigte sich noch eine Tasse Kaffee. Anschließend begab er sich zur Garderobe, zog seine Jacke über und wartete ungeduldig an der Haustür, bis Grace nach einer Weile mit einer großen Reisetasche die Treppe herunterkam. „Hey, wir haben keine Weltreise gebucht. Wir müssen nur nach New York, das ist ein Katzensprung.“
„Man kann nie wissen, sicher ist sicher. Schließlich fahren wir zu meinen Eltern, die haben mich schon eine Weile nicht mehr gesehen. Und außerdem wissen wir gar nicht, ob wir diesen Willy gleich antreffen. Es kann durchaus passieren, dass wir ein, zwei Tage dortbleiben müssen.“
„Wenn das so ist, dann muss ich aber im Observatorium Bescheid geben. Ich hab’ zwar noch ein paar Tage Urlaub gut, aber der Professor wird wohl nicht sehr begeistert sein, wenn ich ihn in dieser vertrackten Situation mit Nico alleine lasse.“
„Diese Sache hier ist wichtiger, glaub mir!“
Überzeugt von der Bedeutung ihrer Mission verließen sie das Haus, bugsierten Joe mit vereinten Kräften die Stufen hinunter und begaben sich zum behindertengerecht umgebauten, sechzehn Jahre alten Pontiac Trans Sport. Nach dem Öffnen der Fahrertür zog Joe den Sitz seitwärts heraus, griff nach der Halterung an der Innenseite des Türrahmens und wechselte mit gekonntem Schwung die Sitzgelegenheit. Dann zog er sich nach rechts, bis die Führungsschienen einrasteten, klappte seinen Rollstuhl zusammen und befestigte ihn neben sich an der Halterung, die anstatt des Beifahrersitzes eingebaut war. Grace hatte inzwischen ihre Tasche im Kofferraum verstaut und nahm auf der Rückbank hinter Joe Platz.
„Okay, wir können“, sagte sie.
„Na gut, bin gespannt, was da auf uns zukommt.“ Doch er zögerte, blickte Grace durch den Rückspiegel an.
„Was ist? Auf was wartest du?“
„Du weißt, dass wir mit dem Feuer spielen, wenn wir diesen Willy tatsächlich dazu bringen können, uns zu helfen?“
„Ist mir klar, aber ich kann nicht anders. Ich muss an dieses Foto kommen.“
„Du bist dir wirklich sicher?“
„Fahr endlich los!“
Joe startete den Motor und legte seine rechte Hand an den Spezialgriff, mit dem er den Wagen beschleunigen und bremsen konnte. Sie fuhren los und legten noch einen kurzen Halt bei seiner Wohnung ein, die sich im Haus seiner Eltern befand. Er ließ sich von seiner Mutter die nötigsten Sachen zusammenpacken und bat sie, Professor Melcom über seine vorübergehende Abwesenheit zu informieren. Kurz nach Mittag verließen sie mit hoffnungsvoller Zuversicht die Stadt.
Kapitel 5
Willy
Die Fahrt nach New York stellte sich nach vielen
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