Himmelssöhne - Das Erbe der Asaru (German Edition)
dieses Wort. Ich dachte mir schon, das sei irgendein Spiel.“
„Oh Gott!“, meinte Grace kopfschüttelnd und klopfte ihm dabei liebevoll auf die Schulter. „Aber macht nichts, das lernst du noch.“
Dylan war gerade dabei, für Joe ein Bier zu zapfen, als er seinen Blick zu Grace wandte und ihr zublinzelte. Dann zeigt er mit einem Wink seines Kopfes zur Eingangstür, die gerade vom automatischen Schließer wieder zugezogen wurde.
Da stand ein hagerer Typ, ungepflegt, mit struppigen, verfilzten Haaren und schmutzigen Klamotten. Unter halb geöffneten Lidern ging sein Blick durch die Runde. Als er mit seinen glasigen Augen bei Dylan angelangt war, hob er kurz die Hand, gab einen unverständlichen Laut von sich und wankte in die hinterste Ecke des Pubs. Dabei kratzte er sich verlegen an beiden Unterarmen, als würde er sich seines Aussehens schämen. Er setzte sich auf einen Stuhl.
Sein Stuhl, immer derselbe. Es war eine Art ungeschriebenes Gesetz unter allen, die ihn kannten, dass dieser Stammplatz für Willy immer freigehalten wurde. Seine gebückte Haltung und der starre Blick auf den Tisch waren der Hinweis, dass er auf sein Guinness wartete.
„Jetzt braucht er seinen Stoff“, flüsterte Dylan und nahm ein neues Glas zur Hand.
„Sie können ihm gerne meins geben“, sagte Joe, „ich habs nicht so eilig. Mich hat das erste Glas schon etwas heiter gestimmt. Teufelszeug! Ich lasse mir doch lieber etwas Zeit.“
Grace sah ihren Vater ungläubig an. „Kann der sich die Sauferei überhaupt leisten? Sieht nicht gerade so aus, als ob er finanziell über die Runden kommen würde.“
Dylan zuckte kurz mit den Schultern. „Ob er sichs leisten kann, weiß ich nicht. Mir ist er jedenfalls noch nie etwas schuldig geblieben. Im Gegenteil, er gibt immer reichlich Trinkgeld.“
„Gib her, ich brings ihm!“, sagte Grace, griff sich das Bier vom Tresen und ging schnurstracks auf Willy zu. Dabei schaute sie kurz über ihre Schulter und gab Joe einen deutlichen Wink, ihr zu folgen. Dieser karrte sofort los und gesellte sich mit zu ihrem vermeintlichen Helfer.
„Hallo, Mr. Boyle“, sagte sie leise, um sich vorsichtig an ihn heranzutasten. Dabei stellte sie das Guinness genau vor ihm auf den Tisch, zog einen Stuhl heraus und setzte sich. Sie blickte ihn an, bekam aber zunächst nur sein Profil zu sehen. Müde und farblos, wie ein Scherenschnitt aus grauem Papier. „Darf ich Willy zu Ihnen sagen?“
Willy umschloss das Glas mit beiden Händen, sein Blick war wie gefroren, ließ zunächst keine Regung erkennen. Dann atmete er hörbar durch, drehte seinen Kopf im Zeitlupentempo zur Seite und sah Grace mit leeren Augen an.
„Kennen wir uns?“, fragte er ohne jeglichen Tonfall.
Grace durchzuckte ein gespenstisches Schaudern, als sie zum ersten Mal diesen bedrückenden Ausdruck wahrnahm, den das Schicksal in sein Gesicht gezeichnet hatte. Sie versuchte, sich ihre Ergriffenheit nicht anmerken zu lassen, und sprach mit gekonntem Scharfsinn weiter. „Ich heiße Grace, Grace McClary. Und das ist mein bester Freund Joe.“
Willys Kopf wanderte mit geschlossenen Augen ein Stück zur Seite, dann musterte er sein Gegenüber langsam von unten nach oben. Jetzt erst sah er den Rollstuhl. Schweigend starrte er Joe einen Moment ins Gesicht. „Hallo, Joe.“
„Hey, Willy.“
„Sie kennen ja meinen Vater Dylan schon seit einiger Zeit“, fuhr Grace fort, dabei zeigte sie nach vorne zum Tresen. „Er hat mir mal von Ihnen erzählt.“
„Was erzählt?“
„Von Ihrem Beruf, oder besser gesagt Ihrer Begabung hinsichtlich Sicherheit gegen dubiose Machenschaften im Internet. Wir haben ein Problem und ich möchte Sie bitten, uns zu helfen. Darum sind wir hier.“
„So einen Scheiß mache ich nicht mehr! Ich habe seit Jahren keinen Computer mehr angerührt! Und jetzt lasst mich zufrieden!“
Er hob sein Glas und leerte es in einem Zug aus. „ STOUT!“ rief er nach vorne zu Dylan und hob dabei die Hand, um auf sich aufmerksam zu machen.
„Das geht auf meine Rechnung!“, brüllte Joe hinterher.
Willy sah sein Gegenüber verwundert an. „Womit habe ich das denn verdient?“
„Ich möchte einfach nur, dass Sie sich unser Anliegen mal anhören. Dann können Sie ja immer noch entscheiden, ob Sie uns helfen oder nicht.“
Grace rückte näher an Willy heran, obwohl er einen unangenehm müffelnden Geruch verströmte. „Wir wissen, dass Sie im Gefängnis waren und was Sie durchgemacht haben“, redete sie mit
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