Himmelsspitz
Tür verschlossen war. An der Seite war ein kleines Fenster mit roten Glasmosaiken. »Wird schon nichts Besonderes drinnen sein«, schätzte Horst. »Überhaupt, ich glaube, wir haben nun fast alles hier vom Ort gesehen. Lasst uns doch zurückgehen zum Hotel. Mittagessen, was Lea?« Er zwickte sie in den Hintern.
»Horst, sieh mal, der nette Laden! Lass uns doch bitte da noch schnell reingehen«, bat Isabel und zog ihn am Arm.
An der Eingangstür hing eine Glocke, die schellte, als sie eintraten. »Grüß Gott«, sagte eine ältere Frau, die hinter dem Ladentisch stand. Auf einem Stuhl rechts vom Eingang saß ein Mann, etwa gleichen Alters.
»Wir wollen uns nur kurz umsehen, was Sie Schönes haben«, sagte Isabel.
»Gern, lassen Sie sich Zeit, es gibt ja viel zu entdecken.«
Kleine Plastikfernseher mit Edelweißblumen auf dem Bildschirm, Thermostate, die in kleine Miniaturalmen eingearbeitet waren, Kuhglocken an bunten Bändern, geschnitzte Bauernköpfe als Weinkorken, gestanzte Aluminiumteile für Wanderstöcke, aus Kuhhörnern gefertigte Löffel, winzige Holzskier mit Skischuhen, Schnapsflaschen mit bunten Bildern und allerlei Anstecknadeln lagen in dem einen Regal.
Ein anderes Regal war mit Himmelsspitzen gefüllt. Geschnitzte Miniaturhimmelsspitze, Teller, auf die Himmelsspitze gemalt waren, Schlüsselanhänger mit Himmelsspitzen.
»Bekomme ich einen Himmelsspitz?«, bat Lea.
»Nicht heute, mein Kind, wir sind ja noch länger da. Noch kannst du den Berg ja jeden Tag vor dir sehen. Aber ich verspreche dir, ich kauf dir später einen«, antwortete Isabel.
Nachdem sie noch ein wenig durch die Gassen Richtung Hotel geschlendert waren, gelangten sie schließlich zu einem alten Holzschuppen, der zwischen zwei neu gebauten Häusern stand, schief und zerbrechlich, eine Wand war an die Nebenwand gelehnt. Die Tür war halb offen.
Vor dem Eingang stand eine hölzerne Bank, auf der ein großer weißgelber Kater saß und sich sonnte. Er hob seinen mächtigen Kopf, als Lea rief: »Du schöne Katze!«
Das Tier stand auf, machte einen Buckel und streckte sich. Dann gähnte es und zeigte seine spitzen Zähne. Lea setzte sich neben den Kater auf die Bank und hob ihn auf ihren Schoß. Er begann so laut zu schnurren, dass sein Körper vibrierte.
»Deine Tochter mit ihrem Zwang, jedes Tier anzufassen«, meckerte Horst.
»Lass sie doch, du weißt doch, wie sehr sie Tiere liebt«, erwiderte die Mutter.
»Sieh nur, wie das Vieh haart, der ganze Rock wird dreckig.«
Horst trat auf den Kater zu und wischte mit seiner Hand über dessen Rücken. »Weg, hau ab, du Vieh.«
In dem Moment fegte das Tier mit der Pfote über Horsts Handrücken. Die spitzen Krallen hinterließen gerade, rote und tiefe Furchen. Dann fauchte der Kater und verschwand mit gesträubtem Fell und dickem Schwanz in einem Loch in der Holzwand.
Horsts Zähne mahlten.
Als Isabel seine Hand untersuchen wollte, knurrte er: »Lass mich in Ruhe, ich geh ins Hotel und lass die Wunde reinigen, macht ihr inzwischen, was ihr wollt.« Dann ging er.
Lea sah ihre Mutter an, und weil die ein wenig lächelte, dachte sie, der Tag könnte doch noch schön werden.
»Meine Kleine, hast du Lust, dass wir mal nachsehen, was es in dem alten Schuppen gibt?«
Lea nickte, und Isabel klopfte an die Tür.
»Herein«, sagte eine Männerstimme.
Die Tür quietschte und ließ sich nur schwer öffnen.
Lea konnte zuerst nichts erkennen, so dunkel war es in dem Raum. Eine nackte Glühbirne baumelte von der Decke. In ihrem fahlen Licht tanzte feiner Staub. Das Fenster am anderen Ende des Raums stand offen, dahinter wucherte wildes Gebüsch. So dicht, dass kein einziger Sonnenstrahl durch die Blätter in das Innere des Schuppens gelangen konnte.
Vor dem Fenster saß ein älterer Mann auf einem Stuhl. Er hielt ein großes Messer in der Hand. Es machte ein kratzendes Geräusch, ab und zu blitzte die Schneide auf.
»Hat wohl Ärger gegeben mit Luis«, sagte er, dabei bewegte er sein Messer hin und her. »Aber kommen’s trotzdem ruhig näher.«
»Luis? Heißt so der große Kater?«
Der Mann nickte. »Es gibt Menschen, die mag er nicht. Katzen sind halt mal so und Kater erst recht, wenn sie sich von einem Eindringling in ihrem Revier gestört fühlen.«
»Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sagte Isabel. »Wir wollten nur nachsehen, was es hier gibt. Wir sind Gäste im Hotel und sehen uns im Ort ein wenig um.«
»Das dachte ich mir«, antwortete der Mann.
»Was machen Sie denn
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