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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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kam ein riesiger Mann mit einem feuerroten Bart aus dem Haus. Aus seiner Lodenjoppe, die er über seiner blauen Schürze trug, ragte ein Pfeifenstiel hervor. Er war so groß, dass er sich im Türrahmen bücken musste.
    »Schau, da ist Rübezahl!«, rief Lea laut.
    »Lea«, ermahnte Isabel sie. Doch der Riese lächelte freundlich und trat vor die Gartentür.
    »Ich bin das gewohnt, denn so nennen mich viele, seitdem ich so gewachsen bin.« Er ging vor Lea in die Hocke. »Grüß Gott, mein Kind, willst du dir das Zwergenhaus vom Rübezahl mal von innen anschauen?« Lea sah ihre Mutter an, die nickte: »Geh nur, wir warten vorn auf der Bank auf dich.«
    Der Riese nahm Lea an die Hand und führte sie ins Haus.
    Alles sah so aus, wie sie sich das Leben bei den Zwergen vorgestellt hatte. Klein, winzig und niedlich. Die hölzernen Zimmerdecken waren niedrig, in der einen Stubenecke stand ein kleiner Steinofen, am Fenster ein alter Holztisch, auf dem eine hölzerne Dose lag.
    »Was ist denn da drinnen?«, fragte Lea.
    »Schnupftabak. Sie gehörte dem Mann, der vorher hier gelebt hat. Dem Oswin.« Der große Mann lächelte und zeigte seine Zahnlücken. »Der alte Oswin, er hat mir das Haus geschenkt.«
    Neben dem Stubentisch war, nach oben gegen die Wand geklappt, mit baumelnden Füßen, ein weiterer kleiner Tisch.
    »Warum hängt der so merkwürdig an der Wand?«, wollte Lea wissen.
    »Das war der Katzentisch.«
    »Ah, die Katzen hatten auch einen Tisch?«
    Der Riese lachte. »Aber nein, der Oswin hatte zehn Geschwister, die hatten nicht alle Platz an dem großen Tisch. Und dann saßen sie eben an diesem kleinen, den man dann so aufgestellt hat.« Er schob einen Riegel zur Seite und klappte den Tisch auf. »Siehst du? Und der Katzentisch heißt so, weil die Kinder nicht immer alles aufgegessen haben und dann die Katzen kamen und den Rest gefressen haben.«
    »Oh«, sagte Lea.
    Über der Stubentür hing ein leerer Vogelkäfig, der aus filigranen Holzstäben bestand. Er war blau bemalt. Am oberen Brett stand in schwungvoller Schrift: Wie Geig und Zither klingt, so der Kreuzschnabel singt.
    »Der Käfig gefällt dir, nicht wahr?«, fragte der Mann. »Gimpel und Stieglitze, die singen schön, die haben in der Stube überwintert, damit die Leute nicht so einsam waren. Oswin mochte Vögel sehr gern, weil sie fliegen können, Oswin hat oft in den Himmel geschaut. Ich glaube, er wollte immer wissen, wie es da oben aussieht.«
    »Wo lebt denn der Oswin jetzt?«
    »Da«, der große Mann wies mit einer langsamen Handbewegung nach oben.
    »Auf dem Himmelsspitz?«
    »Ein kleines Stückchen weiter, im Himmel.«
    »Ist er tot?«
    »Nein, er lebt nur woanders, nicht mehr hier in diesem Haus.« Er blickte sich in der Stube um. »Na ja, ein wenig von ihm lebt schon noch hier.« Dabei lächelte er.
    »Warst du schon mal auf dem Himmelsspitz?«
    »Nein, Lea, nicht ganz oben auf dem Gipfel, obwohl ich hier jeden Felsen kenne, aber der Himmelsspitz, das ist der Berg für Menschen wie den alten Oswin. Es ist der Berg zum Himmel, deswegen heißt er ja auch so.«
    »Lebt der Tod auch auf dem Himmelsspitz?«, fragte Lea.
    »Das weiß niemand, wo der lebt«, antwortete er. »Aber weil der Gevatter Tod ja eine Sense hat und so einen breitkrempigen Hut trägt wie die Bergbauern hier auch, kann es schon so sein, dass er von hier stammt.«
    »Willst du noch einen frischen Krapfen mitnehmen? Paula brät gerade frische aus.«
    Er führte Lea zur Küche, wo eine große, breite Frau stand. Mit einer Schöpfkelle fischte sie goldgelbe Krapfen aus dem Fett.
    »Meine Frau macht die besten Krapfen von der Welt«, sagte der Riese und umarmte sie mit einem breiten Grinsen.
    Da pochte es laut an der Eingangstür.
    »Lea, hallo, kommst du langsam da raus? Wir wollen weiter.« Es war Horst.
    »Du kannst uns jederzeit besuchen kommen, aber jetzt glaube ich, solltest du gehen«, sagte der große Mann, wickelte einen Krapfen in eine Serviette und steckte ihn Lea in die Tasche.
    »Besuch uns bald wieder mal«, sagte er und brachte sie zur Tür.
    »Und? Wie sieht es aus, da drinnen?«, fragte Isabel, nachdem sie ein paar Meter gegangen waren.
    »Schön.«
    »Primitiv, denke ich«, sagte Horst. »Zum Anschauen schön, aber nichts zum Wohnen. Oder wollen meine Frauen etwa ihren Urlaub da verbringen statt in dem schönen Hotel?« Er legte seinen Arm um Isabels Hüften und küsste sie auf die Wange. »Weiter, mein Schatz.«
    Sie bogen links ab und kamen zu einer Kapelle, deren

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