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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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wohl täuschen. Das Zimmer ist gleich fertig.«
    »Das sind alles Männer hier aus dem Ort?«, fragte Isabel auf einmal und wies auf die Fotografie, die über Leas Bett hing.
    »Ja, ja, das sind unsere Fuchsbichler Schützen.«
    »Sie kennen die Männer alle? Sind Sie denn von hier?«
    »Ja, ich bin hier geboren, genauer gesagt, im Tal, denn wir waren eine schwere Geburt, meine Zwillingsschwester Hanni und ich.« Sie reichte Isabel die Hand und stellte sich vor: »Ich heiße Magda Granbichler.«
    »Freut mich«, sagte Isabel und drückte ihr die Hand.
    »Erzählen Sie doch von dem Bild. Wer sind denn diese Männer?«
    »Oh, das ist alles schon lange her. Der in der Mitte, der ist damals Schützenkönig geworden, der Mann hier wurde Zweiter und der hier Dritter. Es war ein erfolgreicher Tag für unsere Männer. Zumindest für fast alle. Es ist das letzte Bild, auf dem alle Männer so glücklich zu sehen sind. Aber inzwischen hat sich so vieles verändert.« Sie holte tief Luft. »Es waren halt noch andere Zeiten.«
    »Was ist denn inzwischen passiert?«
    Magda nahm das Bild in die Hände und zeigte auf den Mann in der zweiten Reihe. »Der ist gestorben«, sagte sie. »Und der, der lebt im Fegefeuer zwischen Erde und Himmel – oder Hölle. Das weiß niemand so recht.«
    »Das klingt ja fürchterlich«, meinte Isabel.
    »Ja, ja, der Sensenmann, der ist in den Bergen so unberechenbar wie das Wetter. Er fragt nicht, hast du Zeit, er fragt auch nicht, hast du Lust. Er sagt nur: Komm mit, du musst. Besonders schlimm ist es, wenn er in einem weißen Gewand kommt.«
    »Ein weißer Tod?«, fragte Isabel.
    »Ja, so nennt man bei uns die Lawinen. Sie bringen einen besonderen Tod. Die Lawinen und die Muren. Sie verschlucken alles und geben die Toten oft nicht mehr her. Das ist besonders schlimm, vor einem leeren Sarg zu stehen.« Sie tätschelte Lea den Kopf. »Das ist aber wirklich kein Gespräch für dich, hab keine Angst, Lawinen gibt’s natürlich nur im Winter, und Muren wird es hier nicht mehr geben. Versprochen.«
    »Sind das alle Männer, die damals hier lebten?«, fragte Isabel mit bleichem Gesicht.
    »Ja, mehr Männer hatten wir zu der Zeit nicht. Inzwischen gibt es hier viele Hinzugezogene, vom Tal. Außerdem bauen immer mehr Städter ihre Ferienhäuser hier. Es hat sich eben herumgesprochen, dass hier die Luft besonders gut ist.«
    »Ihr Lieben, wie wär’s mit einem Abmarsch? Lea zieh dir endlich die Wanderschuhe an. Isabel, mein Schatz, du doch bitte auch.« Horst stand ungeduldig in der Tür.
    »Na, dann wünsche ich Ihnen einen schönen Tag bei uns«, sagte Magda.
    Als sie vor das Hotel traten, schien die Sonne, dennoch war es kühl. Im Ort herrschte bereits reges Treiben. Das schöne Wetter lockte die Menschen hinaus. Etliche Touristen trugen Rucksäcke, an denen Seile und Pickel baumelten, andere führten ihre Hunde spazieren. Kinder fuhren mit Rollern und Fahrrädern die Gassen hin und her. Die Ansässigen werkelten an ihren Häusern, strichen Fensterläden an, besserten Zäune aus und fegten die Terrassen. Vor der Jausenstation Fender deckte eine Frau die Tische mit rot-weiß karierten Decken. »Heute gibt’s frische Speckknödel«, rief sie.
    »Klingt verlockend«, antwortete Isabel. »Wir kommen später sicher bei Ihnen vorbei.«
    Die meisten Pensionen und Gästehäuser schienen ausgebucht, zumindest wiesen die kleinen Besetzt-Schilder an ihren Hauswänden darauf hin.
    »Offensichtlich ganz gut besucht, obwohl das hier so fern vom Schuss ist«, stellte Horst fest.
    »Vielleicht gerade deswegen«, antwortete Isabel.
    »Ich schätze mal, der Ort war vor fünf Jahren noch ein Kuhdorf, ein paar Ställe, ein paar Misthaufen, ein paar Eingeborene«, sagte Horst.
    »Möglich, dass du recht hast, du bist ja schließlich der Immobilienexperte«, meinte Isabel.
    »Gibt nur noch wenige richtige Bauernhäuser. Offensichtlich haben sie das alte Zeugs weggerissen. Tja, wer will heute noch so leben wie damals? Mit Plumpsklo und so weiter. Wie schrecklich.«
    Horst wies auf ein Haus mit winzigen Fenstern am Ende der Gasse. »So etwas wie das meine ich, seht euch mal die kleinen Fenster an, die hatten ja kaum Licht.«
    »Komm, lass es uns mal ansehen«, schlug Isabel vor.
    Es war wirklich ein altes Haus. Es stand in einem kleinen Garten, der mit geflochtenen Weideruten eingezäunt war. An der Seitenmauer lehnte eine Leiter, an der ein Kübel mit Farbe hing.
    »Wird offensichtlich gestrichen«, sagte Horst. In dem Moment

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