Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer
zwingen, Mohammedaner zu werden. Ich bin neugierig, ob sie das tun werden.»
Niemand in Berbera gab Adolf die geringste Hoffnung, dass er jemals aus dem Landesinnern zurückkehren werde. Trotzdem brach er am 11. März 1874 auf in die weite, trockene und baumlose Ebene vor dem Küstengebirge, begleitet von dreißig eingeborenen Dienern und fünfzehn Kamelen, die mit Proviant, Tüchern, Glasperlen, Tabak und anderen Tauschartikeln beladen waren. Adolf hatte Todesangst.«Was mich aber zwang, meinen Plan durchzuführen, war die Furcht vor dem Spott», schrieb er den Eltern.«Ich schämte mich, Angst zu zeigen, dachte aber nie daran, je wieder nach Massaua zurückkehren zu können.»
Die Reise war ein Desaster. Vom ersten Tag an wurde die Karawane auf Schritt und Tritt und zu jeder Tages- und Nachtzeit von bedrohlich geschmückten Kriegern heimgesucht, die ihre Waffen präsentierten und nachdrücklich großzügige Geschenke forderten als Gegenleistung dafür, dass sie Haggenmacher nicht auf der Stelle totschlugen, wie es die Landessitte eigentlich verlangte. Dann wieder geriet Adolf zwischen die Fronten rivalisierender Volksstämme, oder bettelndes Lumpenvolk stahl ihm den halbgaren Reis samt Topf von der Feuerstelle; darüber hinaus musste er es sich immer wieder gefallen lassen, dass Somalifrauen in sein Zelt«eintraten, mich an Kopf, Händen und Füßen betasteten und sich wunderten, dass meine zwar schon etwas bronzirte Haut so weiß sei. (...) Mehrere Frauen (...) amüsierten sich damit, schlechte Witze über meine Person zu machen. Was den Damen entschieden missfiel, das waren meine grünen Augen».
Seine Diener bekamen es einer nach dem anderen mit der Angst zu tun und liefen davon, zuletzt waren nur noch vier bei ihm. Eines Abends setzten sich drei Somalihäuptlinge an sein Lagerfeuer und führten«einen langen spöttischen Diskurs über ausländisches Regierungs- und Militärwesen. Sie hatten etwas vom Deutsch-Französischen Kriege tönen gehört und fragten, was denn Verdammliches an den Kriegs- und Raubzügen ihrer Nation sei; während in Europa Hunderttausende dahinstürben, belaufe sich im Somali-Lande der Verlust nach einer großen Schlacht auf höchstens zweihundert Tote und die Kriegsbeute sich auf höchstens zwanzigtausend Stück Vieh, während man in den Ländern der Civilisation nicht mit Millionen von Thalern sich begnüge.»
Nach drei Wochen Diebstahl, Raub und Bettelei waren Haggenmachers Vorräte«auf ein ganz unansehnliches Quantum heruntergeschmolzen», was ihn zur Umkehr zwang. Er schlachtete seine letzten Kamele, um sich mit deren Fleisch freies Geleit nach Berbera zu erkaufen, und traf dort zum allgemeinen Erstaunen nach vierzigtägiger Abwesenheit heil und gesund wieder ein.
Nach Massaua zurückgekehrt, schrieb Haggenmacher für Petermann’s Geographische Mitteilungen einen Bericht über das Somaliland und dessen Bewohner, deren Ackerbau und Viehzucht sowie Gewerbe und Handel, und dazu zeichnete er eine Karte des von ihm bereisten Gebiets. Über militärische Belange verlor er kein Wort; diese rapportierte er Seiner königlichen Hoheit persönlich in einem gesonderten, fünfzigseitigen Bericht in französischer Sprache.
Der Vizekönig muss Haggenmacher dahingehend verstanden haben, dass eine militärische Eroberung Somalias leicht zu bewerkstelligen sein müsse. Jedenfalls erteilte er ihm und Munzinger den Auftrag, eine solche in die Wege zu leiten.«Ich werde sehr wahrscheinlich eine große Expedition unternehmen müssen ins Gallaland», schrieb Adolf.«Es darf nichts bekannt sein, bis ich resp. Ägypten Besitzer von Harrar ist. Ich habe die nötigen Truppen verlangt. Ich brauche nicht viel, mit den Remingtongewehren lässt sich viel ausrichten, zum Überfluss vielleicht noch zwei kleine Bergkanonen. Ich arbeite nun seit einigen Monaten an diesem Projekte, und wird es zustande kommen, so werde ich Seine Hoheit um Urlaub bitten, um (…) der Heimat einen Besuch zu machen.»
Am 1. Oktober 1875 brachen Werner Munzinger und Adolf Haggenmacher erneut ans Horn von Afrika auf, diesmal mit einem eigenen Dampfschiff, dreihundertfünfzig Sudansoldaten und zwei Kanonen. Am 5. Oktober ging die Truppe in Tadjura unweit von Berbera an Land, und drei Wochen später brach sie mit fünfundvierzig Kamelen und Proviant für zehn Tage auf. Der Marsch ging über vulkanisches Geröll, dann durch einen Salzsee. In der Nacht vom 14. auf den 15. November wurden sie von Somalikriegern überfallen. Werner
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