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Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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Nacht am Ufer und schaute hinüber zur Insel. Der Fährmann weigerte sich, sie über den reißenden Strom zu führen.
    Vielleicht war es das feuchte Klima, das Adolfs Gesundheit zusetzte, oder der eisige Wind, der im Winter über den Fluss fegte; einmal brach Adolf im Eis ein. Im Alter von zehn Jahren zog er sich eine langwierige Lungenentzündung zu. Die Eltern brachten ihn in die berühmte Knabenerziehungsanstalt Johann Conrad Zellwegers nach Gais im Appenzellerland. Tatsächlich wurden dort Adolfs Lungen rasch gesund, und charakterlich entwickelte er unter Zellwegers Rohrstockpädagogik einen ausgeprägten Hang zu rebellischem Abenteurertum.
    Zu Hause auf der Aareinsel hatte der Vater nach fünfzehn Einsiedlerjahren und unzähligen Überschwemmungen endlich ein Einsehen, holte den Erstgeborenen aus dem Appenzellischen heim und übersiedelte mit der Familie ins Nachbarstädtchen Aarau, kaufte ein gutbürgerliches Haus am Graben und versuchte vergeblich, ein stillgelegtes Eisenbergwerk zu reaktivieren. Währenddessen besuchte Adolf die örtliche Kantonsschule, an der übrigens fünfunddreißig Jahre später Albert Einstein die Grundlagen von Mathematik und Physik erlernen sollte. In Fleiß und Betragen erhielt er zwar die Noten«ziemlich gut», musste aber trotzdem die erste Klasse wiederholen. Als er auch im zweiten Anlauf nur«versuchsweise auf ¼ Jahr promoviert»wurde, brach er die Schule ab und trat – wohl auf Befehl des Vaters – eine Lehre im Glas- und Porzellanhaus Kiefer in Basel an, das unter dem Namen«Füglistaller»bis heute eines der berühmtesten und vornehmsten Haushaltwarengeschäfte der Schweiz ist. Der Lehrlingsalltag aber – das Zuspitzen von Federkeilen, das Nachfüllen der Löschsandfässer, die Schönschreiberei – war nicht nach seinem Geschmack, und die calvinistische Wohlanständigkeit des Basler Bürgertums behagte ihm auch nicht. So träumte er sich weg in die Ferne, nach Amerika, in den Orient oder die unerforschten Weiten Afrikas, wo er sein Glück machen und als gemachter Mann wieder heimkehren würde.
    Zwei Jahre hielt Lehrling Haggenmacher in Basel aus und verkaufte tapfer Haushaltwaren. Aber kaum zwanzig Jahre alt und volljährig geworden, kündigte er seine Stellung und ließ die Familie wissen, dass er nach Ägypten auswandere. Der Vater protestierte, drohte und prophezeite ihm Tod und Verderben, aber Adolf blieb fest.«So gehe ich hin, ohne schon eine Stelle zu haben», schrieb er am 29. September 1865,«aber es gibt in Aegypten so vielerlei und allerlei, dass ich, wenn ich anfangs auch ohne Engagement bin, mir doch mein Brod zu erwerben hoffe. Ich werde viel zu entbehren, viel durchzumachen haben, und das eben reizt mich, und ich lerne dabei auch das Unangenehme von der angenehmen Seite aufzufassen. Muth und Ausdauer werden angefacht durch den physischen Zwang. Ich werde eine Schule durchmachen, reich an Erfahrungen aller Art, die mich in den Stand setzen, später etwas Tüchtiges zu leisten, so Gott will.»
    Am 8. Oktober 1865 nahm Adolf in Aarau Abschied von den Eltern, reiste per Postkutsche und Eisenbahn nach Triest und dann mit dem Raddampfer Vulcan des Österreichischen Lloyd in dreitägiger Fahrt nach Alexandria. In Ägypten angekommen, musste er feststellen, dass es da tatsächlich«vielerlei und allerlei», aber keine Arbeit für ihn gab; denn die Zehntausende von Deutschen, Franzosen, Briten und Italienern, die in den letzten Jahrzehnten am Nil ihr Glück gemacht hatten als Händler, Baumwollpflanzer oder Berater des Khediven, hatten keine Verwendung für einen Jüngling aus Brugg ohne Diplome oder auffällige Talente. Nachdem das Reisegeld aufgebraucht war, schlug er sich kümmerlich durch, indem er Klavierstunden gab und einen Gesangsverein gründete; nach einigen Monaten aber zwang ihn die Not, den Vater brieflich um ein Darlehen zu bitten – das dieser ihm verweigerte. So lieh er sich fünfundsiebzig Franken von einem Landsmann, der das Geld dann seinerseits durch seine Schwester bei den Haggenmachers in Aarau eintreiben ließ, weshalb Adolfs Mutter auf Umwegen erfahren musste, dass ihr Ältester«in den allermiserabelsten Verhältnissen sei (…). Zu Tode weinen könnte ich mich um dieses Kind», schrieb sie am 7. Oktober 1866, genau ein Jahr nach Adolfs Abreise,«zu wissen, er ist in der größten Noth in einem Lande, dessen Sprache er kaum kennt, wo Hitze, Krankheiten und Clima verderblich sind, und ich kann ihm nicht helfen. Ich werde wie Hiob geprüft.

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