Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer
einiger Berühmtheit gelangt war. Adolf rüstete eine kleine Karawane von drei Kamelen aus und machte sich auf den Weg. Dass er seine Frau samt dem kleinen Eduard mitnahm, der schon bald einen Bruder namens Fritz bekommen sollte, war ein durchaus unüblicher Akt des Muts und der Liebe; von den vielen tausend europäischen Männern, die im 19. Jahrhundert den Sudan kolonisiert hatten, brachte nur eine Handvoll die Courage auf, ihre dunkelhäutigen Frauen und deren Kinder mit nach Europa zu nehmen.
Ob Adolfs Reiseziel nun Europa, Indien oder das Rote Meer war: Für einmal schien es, dass er in Khartum zwar nicht am richtigen Ort, aber immerhin zur richtigen Zeit war, denn in jenen Tagen war mit nie gesehenem Pomp der Suezkanal eröffnet worden, im Beisein von viertausend gekrönten oder sonstwie bedeutsamen Häuptern Europas, unter ihnen übrigens Marie Tussauds Sohn Francis, der angereist war, um für das Wachsfigurenkabinett das eine oder andere Exponat anzufertigen. Das bedeutete, dass der Seeweg von Europa nach Indien nicht mehr um ganz Afrika, sondern durchs Rote Meer führte – sozusagen an Haggenmachers Haustür vorbei, keine siebenhundert Kilometer von Khartum entfernt.
Vermutlich traf Adolfs Karawane Anfang 1870 am Roten Meer und einige Wochen später in Suez ein, wo sich sein Weg schicksalhaft mit jenem des bereits erwähnten Werner Munzinger kreuzte. Munzinger war ein Mann, der auf Adolf großen Eindruck machen musste: Dreizehn Jahre vor ihm in Olten an der Aare geboren, nur dreißig Kilometer von Haggenmachers Geburtsinsel flussaufwärts, als Sohn Josef Munzingers, des Schweizer Finanzministers von 1848, war er ausgezogen mit dem hehren Gedanken, die Ideale des Freisinns in den dunklen Erdteil zu exportieren und die Sklaverei abzuschaffen. Er war verheiratet mit einer Abessinierin namens Oulette-Mariam und besaß ein Haus am Roten Meer und eines im abessinischen Hochland, führte ein leidlich erfolgreiches Handelsgeschäft und amtete als Vizekonsul Frankreichs; nebenher verfasste er völkerkundliche und geographische Schriften, die bei Brockhaus und Petermann’s erschienen.«Was wollen Sie in dem alten Europa tun?», soll er im Hafen von Suez zu Adolf gesagt haben.«Kommen Sie mit mir, ich habe Arbeit genug für Sie.»
Haggenmacher machte auf dem Absatz kehrt und folgte von jenem Tag an Werner Munzinger wie ein kleiner Bruder. Er fuhr mit ihm übers Rote Meer nach Massaua, der heißesten Stadt der Welt, und ging ihm in dessen Handelskontor zur Hand. Er begleitete Werner Munzinger auf Handelsreisen und diplomatischen Missionen ins Hochland Abessiniens. Im Juli 1871 wurde Munzinger vom ägyptischen König zum Gouverneur von Massaua ernannt; im folgenden April erhielt Adolf eine offizielle Anstellung als dessen Assistent mit einem Monatsgehalt von vierzig Talern.
Seine erste Aufgabe war es, für die Weltausstellung 1873 in Wien ein Schaubild über die Lebensweise der Menschen am Roten Meer zusammenzustellen. Er sammelte Haushaltsgeräte, Schmuck und Waffen und stellte eine Truppe von vierzehn Eingeborenen der verschiedensten Stämme zusammen, welche die Schau beleben sollten; mit ihnen fuhr er nach Wien, wo er das Ritterkreuz des Kaiser-Franz-Joseph-Ordens erhielt. Bevor Adolf im August 1873 nach Ägypten zurückkehrte, besuchte er die Eltern und die Schwester für ein paar Tage in Aarau. Es sollte ihre letzte Begegnung sein.
Kaum nach Kairo zurückgekehrt, erhielt er den Auftrag, das wilde Somaliland am Horn von Afrika auszukundschaften, das erst wenige Europäer betreten und noch kaum einer lebend wieder verlassen hatte.«Gelingt dies Unternehmen, d. h., komme ich mit dem Leben davon, so ist dann lebenslänglich für meine Zukunft gesorgt», schrieb er den Eltern am 20. Oktober 1873.«Diese Expedition (…) hat auch einen politischen Zweck; ich möchte deshalb bitten, nichts hiervon verlauten zu lassen (…), wenn’s bekannt würde, könnte es meine Stellung kosten.»
Haggenmachers Geheimnis war, dass er in Somalia als Spion des Khediven eine militärische Invasion Ägyptens vorbereiten sollte. Mit dem Postdampfer durchquerte er das Rote Meer und fuhr hinaus in den Golf von Aden, das Tor zum Indischen Ozean. An Weihnachten 1873 ging er in Berbera an Land, wo er zwei Monate blieb und so richtig das Fürchten lernte.«Links und rechts Geschrei, Streit, Hader, das ist mir ein neues Leben (…) Man schimpft mich Christenhund, Kaffer etc., und die Leute haben sich verschworen, mich auf der Reise zu
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