Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)
immer gesagt, dass ich den Scheiß nicht machen will, und ihr habt gesagt, ich soll die Klappe halten und meinen Job machen! Du kannst dir sicher sein, dass ich den ganzen Laden auffliegen lasse.«
Mein Meister wartete noch genau bis zu dem Tag, als meine Militärzeit vorbei war, dann wurde ich vor die Tür gesetzt: Danke und auf Wiederschauen.
Ich wäre gern Motorradmechaniker geblieben, aber mein Gerechtigkeitssinn, an dem ich ohne Rücksicht auf Verluste festhielt, machte mir einen Strich durch die Rechnung.
Da stand ich also, ohne Geld und ohne Job. Um mir das Fallschirmspringen zu finanzieren, begann ich auf dem Bau zu arbeiten und Gelegenheitsjobs anzunehmen. Einer der Jobs war der des Paketausträgers bei einem namhaften Automobilhersteller, zweimal die Woche. Bald schon war ich dort geringfügig beschäftigt und verdiente ein Traumgehalt von 3650 Schilling im Monat! Richtig beliebt wurde ich, als in einem der Büros einmal irgendein riesengroßer Metallkasten verschoben werden musste, wofür keiner von den Angestellten kräftig genug war.
»Herr Baumgartner, könnten Sie nicht kurz den Kasten …?«
»Ja, logisch. Ärmel hoch und los!«
Ich kam mir vor wie der Typ in der Coca-Cola-Werbung, in der alle Sekretärinnen sich um halb eins ans Fenster ihres Großraumbüros begeben, um einen Bauarbeiter bei seiner oberkörperfreien Mittagspause zu bestaunen. »Herr Baumgartner, wollen Sie nicht noch einen Kaffee mit uns trinken?« In jedem Büro, in dem ich ein Paket abzugeben hatte, schäkerte ich zehn Minuten lang mit dem weiblichen Personal. Es war warm, ich hatte ein Dach über dem Kopf, und ab und zu durfte ich mit dem schicken Wagen der Chefin fahren, ihre Klamotten aus der Reinigung holen oder einen Ring vom Juwelier. Ich selbst fuhr damals nur einen uralten Mercedes-Bus. Der Job hat richtig Spaß gemacht.
Bis zu der Geschichte mit dem Buch.
Ich sollte ein Paket ausliefern, dessen Absender und Empfänger nicht zu entziffern waren. Nach kurzem Überlegen entschloss ich mich, das Paket zu öffnen und einen Blick auf das Begleitschreiben zu werfen, um herauszufinden, wer der Adressat war.
Statt eines Anschreibens lag ein Buch in dem Paket mit dem Titel »Die 1000 Fehler des«, gefolgt von dem Namen eines der meistverkauften Automodelle Europas. Was war das? Meine Neugierde war geweckt, und ich begann, in dem Buch zu blättern. Es war eine Art Gebrauchsanweisung für den Umgang mit Kunden von Vertragswerkstätten. Wie konnte dieser oder jener Fehler des Autos einem gewöhnlichen Kunden erklärt werden? Bei welcher Art von kritisch versiertem Techniker kam man nicht umhin, den Fehler kostenlos beheben zu lassen? Und welche haarsträubende Geschichte konnte man hingegen einer alten, gebrechlichen Pensionistin erzählen? Das Buch war ein Meilenstein in meiner Persönlichkeitsentwicklung. So schaut das Leben also aus, dachte ich mir. Wenn du dich auskennst, kommst du zu deinem Recht. Wenn du gutgläubig bist, verkaufen sie dich für dumm.
Was ich in diesem Buch las, erinnerte mich sofort an eine Eigenschaft, die ich an meinem Vater immer besonders geschätzt hatte. Niemand konnte ihm je etwas vormachen. Wenn er etwas zu reklamieren hatte, ging er rein in den Laden und kam mit dem wieder raus, was er wollte. Meine Mutter hat sich in solchen Momenten geschämt, aber ich bin jedes Mal gern mitgegangen, stand neben meinem Vater, hab zugehört und gedacht: Stark!
»Du musst den Mund aufmachen und gut argumentieren. Nur rumschreien bringt nichts«, hatte mir mein Vater erklärt. Er hat nie geschrien, sondern mit erhobener Stimme gesagt, was Sache ist. Ich habe gemerkt, dass man zu seinem Recht kommen kann, auch wenn es mit Mühe verbunden ist. Das habe ich sicher von meinem Vater gelernt. Der war ein Meister darin.
Nach der Sache mit dem Buch zählte ich eins und eins zusammen und beschloss, meine Zukunft zielgerichteter in die Hand zu nehmen. Auch wenn das angesichts meiner angespannten finanziellen Situation zunächst noch bedeutete, dass ich zu einem Meister der Improvisation werden musste.
Ich hatte inzwischen das Fach gewechselt vom Fallschirmspringen zum B. A. S. E. -Jumping, dem freien Fall von Gebäuden ( Building ), Sendemasten ( Antenna ), Brücken ( Span ) und Felsvorsprüngen ( Earth ), im letzten Moment gebremst durch einen Fallschirm, der einen sicher zu Boden schweben lässt. Beim Fallschirmspringen ist dein Fallschirm darauf ausgelegt, etwa 800 Meter über dem Boden geöffnet zu werden. Er ist
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