Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)
Freunden nach Griechenland fahren und hatte gerade noch rechtzeitig bemerkt, dass auf der langen Fahrt sein Kilometerservice fällig geworden wäre.
Ich versicherte ihm, dass wir den Service übernehmen würden und er seine Maschine am selben Tag kurz vor Ladenschluss abholen könne.
Kaum war seine Maschine auf der Hebebühne, kam der Verkaufsleiter zu mir.
»Dem sein Motorrad machen wir heute nicht.«
»Aber der hat doch einen Termin.«
»Der Typ wollte sich neulich ein neues Motorrad kaufen und hat sich bei meinem Chef beschwert, weil ich ihm nicht genügend Prozente geben wollte. Und ich hab dann den Ärger bekommen.«
»Ich bin hier ja nur Auszubildender, aber der Typ möchte morgen mit seinen Jungs nach Griechenland fahren. Wenn der später kommt und die Maschine ist nicht fertig …«
»Dann ist das nicht dein Problem. Hau sie wieder runter von der Hebebühne!«
Ich konnte es nicht fassen. Dann hätte ich ihm doch lieber gleich keinen Termin gegeben. Ich konnte dem Mann doch unmöglich den Service versprechen und das Motorrad dann einfach stehen lassen. Das widersprach meinem Gerechtigkeitssinn, der bei mir aus irgendeinem Grund schon immer besonders stark ausgeprägt war. Als der Kunde dann am späten Nachmittag kam, musste ich erklären: »Wir hatten heute so viel Stress, ich bin nicht dazu gekommen.« Er wurde kreidebleich und begann, zu weinen wie ein kleines Kind. Sein Griechenland-Trip war seit Monaten geplant, und wenn er jetzt ohne Service einen Motorschaden bekäme, wäre die Reparatur nicht von der Garantie abgedeckt. Für ihn brach eine Welt zusammen. Ich lief zum Verkäufer, der sich in seinem Büro verschanzt hatte, und sagte zu ihm: »So, da kannst du dich jetzt selber drum kümmern. Der Servicetyp sitzt vorne in der Werkstatt und heult Rotz und Wasser. Das musst du ausbügeln.«
Der Verkaufsleiter ging zu ihm hin und sagte: »Wenn der Felix morgen um fünf Uhr in der Früh kommt und deine Jungs ein bisschen später losfahren, macht er dir den Service noch.«
Daraufhin bat ich den Verkäufer um ein kurzes Gespräch unter vier Augen.
»Okay, kein Problem. Ich komme morgen um fünf rein und arbeite an meinem sauer verdienten Wochenende. Aber ich stemple ein. Das sind Überstunden. Meine Dienstzeit geht von Montag bis Freitag.«
»Das soll der zahlen, wenn du schon extra kommst. Mach mit dem was aus«, entgegnete der Verkaufsleiter.
»Der Typ hatte heute einen Termin«, erwiderte ich, »und wir haben es nicht gemacht. Seine Kumpels fahren morgen nur wegen uns zwei Stunden später weg, und jetzt soll er auch noch einen Aufpreis zahlen.«
Am nächsten Tag habe ich den Service gemacht. Und dem Kunden keinen Zuschlag abgenommen.
Am Montag prüfte der Verkaufsleiter in der Früh als Erstes meine Stempelkarte und sagte: »Du hast ja abgestempelt.«
»Ja, logisch.« Und von da an steckte ich in der Schublade mit der Aufschrift: »Unbequemer Mitarbeiter«.
Es gab immer wieder Probleme. Mit jeder Woche wurde mir klarer, dass die Werkstatt ihre Kunden nach Strich und Faden betrog. Pro Tag wurden zwischen fünf und acht Motorradservices gemacht. Jeder Service dauerte ungefähr dreieinhalb Stunden. Acht mal dreieinhalb: Das macht 28 Arbeitsstunden am Tag. Der hat aber nun mal nur 24 Stunden. Und ein Arbeitstag sogar nur acht. Wenn wir Ventile einstellen mussten, sollten wir nur kurz horchen, ob ein Klappern zu hören war. Nein? Okay, passt. Abwischen, Motor sauber, fertig. Den Ölfilter haben wir teilweise gar nicht getauscht, sondern nur so gereinigt, dass er neu aussah – und die vermeintlichen Ersatzteile aufgeschrieben.
Ich habe immer gesagt: »Jungs, das ist eine Drecksnummer. Ihr verlangt einen Haufen Kohle. Das ist Betrug.«
Und dann kam uns ein ganz schlauer Kunde auf die Schliche. Er hatte auf die Batteriestopfen ein Haar gelegt und den Ölfilter markiert, vorher alles fotografiert und die Maschine zum Service gebracht. Beim Abholen sagte er dann: »So, schaut mal her: Das habe ich vorher fotografiert. Den Batteriestopfen so raus- und wieder reindrehen, ohne dass das Haar herunterfällt, das gibt es nicht. Und der Ölfilter ist nicht ausgetauscht worden, da ist noch die Markierung dran. Gar nichts habt ihr gemacht an meinem Motorrad!«
»Mach mal keinen Stress«, versuchte der Meister ihn zu beruhigen, »ich muss schauen, was der Lehrling da wieder verbockt hat.«
Doch dieses Mal spielte ich nicht mit.
»Wenn du mir das anhängst, dann seid ihr morgen in der Zeitung. Ich habe euch
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