Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)
können wir nicht bezahlen.«
Ich war schon kurz davor, die Reise abzublasen. Doch wenige Tage vor dem Wettbewerb erwirkte mein Verein per Vorstandsbeschluss eine Ausnahmeregelung und bezahlte mir das Ticket nach West Virginia. Zurück kehrte ich als Base-Jumping-Weltmeister 1997.
Heute verstehe ich mich sehr gut mit Thomas Überall, aber am Anfang haben wir uns überhaupt nicht gemocht. Für unsere erste Sponsoringverhandlung nach seiner Bridge-Day-Absage hatte ich von Wolfgang di Ruggiero ein eigenes Video meiner Sprünge anfertigen lassen. »Wolfgang, ich hab da nächste Woche ein Gespräch mit dem neuen Marketing-Verantwortlichen bei Red Bull«, hatte ich zu ihm gesagt, »es geht um ein bisschen Sponsoring. Ich brauche ein ordentliches Themenvideo.« Ich brachte ihm alles an Material, was ich gesammelt hatte, und sagte: »Machen wir was Cooles draus!«
Mit Wolfgangs Video, für das er nur die Hälfte des üblichen Honorars verlangt hatte, ging ich voller Stolz zu Thomas. Er schaute sich den Film an, während ich wiederum ihn gespannt anschaute. Nach dem Ende des Films schwieg er ewig und sagte dann endlich: »Du, brauchen wir das überhaupt bei Red Bull?«
Ich war inzwischen überall runtergesprungen, bestärkt durch meinen guten Draht zu Raymond Dulieu, der mir damals einen neuen Schirm gekauft hatte: Alles lief wie am Schnürchen, ich war auf den richtigen Zug aufgesprungen. Und nun kam Thomas, der dem Base-Springen kritisch gegenüberstand, schaute sich mein Video an, für das ich meine letzte Kohle ausgegeben hatte, und sagte: »Brauchen wir das überhaupt?« Er müsse es sich noch überlegen. Na bravo.
Für die nächste Verhandlungsrunde mit Thomas holte ich mir Verstärkung: Hans Huemer, meinen damaligen Fallschirmlehrer. Ich erinnere mich noch genau daran, was ich bei unserem Telefonat vor dem Treffen zu ihm sagte: »Hans, ich hab bald meine nächste Verhandlung mit Red Bull. Kannst du da mitkommen? Du bist Geschäftsmann und kannst besser quatschen als ich. Ich fühle mich da unsicher.«
Wenig später trafen wir uns zu dritt in einem Gasthaus am Mondsee. Mein Sponsoringwunsch damals: 100 000 Schilling im Jahr – heute rund 7000 Euro – und ein neuer Fallschirm. Nach langem Hin und Her hatten wir Thomas überzeugt: »Okay, machen wir.« Ein paar Wochen später schickte ich ihm die Rechnung – und prompt rief er zurück:
»Felix, du hast da eine Rechnung geschickt über 100 000 Schilling. Wir haben aber nur 50 000 ausgemacht.«
Darauf ich: »100 000 Schilling im Jahr und einen neuen Fallschirm, das weiß ich ganz sicher.«
»50 000 Schilling, 100 000 war überhaupt nie ein Thema«, konterte Thomas.
Stocksauer rief ich Hans Huemer an:
»Hans, was haben wir mit Überall ausgehandelt?«
»100 000 Schilling.«
»Der sagt jetzt 50 000.«
»Ja, spinnt der? 100 und einen Fallschirm.«
»Genau, Mensch, bin ich froh, dass du dabei warst. Hab schon gedacht, ich bin schizophren oder so was.«
Ich rief erneut Thomas an:
»Du, der Hans hat das auch gehört.«
»Da müsst ihr euch alle beide täuschen. Ich bin mir ganz sicher! 100 habe ich nicht in meinem Budget. 50, mehr kann ich dir nicht zahlen.«
Ich war so was von angefressen! 100 000 Schilling dividiert durch zwölf Monate war ohnehin ein schwacher Monatslohn, aber für mich trotzdem ein guter Start, für den ich sehr dankbar war. Im Kopf hatte ich diesen schon für meine Projekte verplant. Und dann konnte sich dieser Typ plötzlich an nichts mehr erinnern! Mein erster Gedanke war: So, jetzt rufe ich bei Herrn Mateschitz persönlich an! Ich wusste, ich war im Recht, und mein alter Gerechtigkeitssinn meldete sich zurück. Wenn mir in diesem Moment jemand gesagt hätte: »Nimm die 50 000! Wenn du jetzt dem Chef einen Brief schreibst, dann sind die vielleicht auch noch weg, wenn’s blöd läuft.« Dann hätte ich geantwortet: »Das interessiert mich nicht. Dann bin ich halt wieder weg vom Fenster. Aber wir haben 100 000 ausgemacht.« Mit Ungerechtigkeit kann ich einfach nicht umgehen – und ich kann ziemlich stur sein.
Ich schrieb also einen Brief an Dietrich Mateschitz und rief seine damalige Sekretärin an: »Du, ich habe einen Brief an Herrn Mateschitz geschrieben, möchte aber, dass er den persönlich bekommt. Kannst du bitte schauen, dass das klappt? Nicht, dass den jemand anderes liest.« Ich gab den Brief auf, und zwei Tage später rief mich Thomas an und bestellte mich nach Fuschl. Als ich bei ihm im Büro eintraf, sah ich meinen Brief
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