Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)
springen, das ist ein Wahnsinn.
Da hat er Sie alle eingeweiht?
Ja, das haben wir schon früh gewusst. Aber ich habe eigentlich bei allen seinen Projekten immer ein gutes Gefühl gehabt. Und ich wurde darin bestärkt, weil Felix mich über all die Jahre immer gleich angerufen hat: »Mutti, ich habe es geschafft, und es ist gut gegangen.«
Erinnern Sie sich noch, wie Sie reagiert haben, als er Ihnen das erste Mal von Stratos erzählte?
Nein, nicht mehr genau. Ich kann mich aber noch an einen Tag erinnern, an dem er uns Bilder von der Vorbereitung zeigte und ich dachte, na bitte, jetzt wird er als Nächstes Astronaut. Das war das erste Mal, dass ich zu meinem Mann gesagt habe: »Ich hätte schon viel früher etwas unternehmen müssen.« Aber Felix hat diesen Ehrgeiz entwickelt und war so ungeheuer diszipliniert, trotz aller Rückschläge.
Hat er Ihnen von seiner größten Krise erzählt, als er die Mission zwischenzeitlich abbrach?
Seine Freundin Nicole hat mich angerufen, als er damals in L.A. am Flughafen saß, und hat gesagt, dass es ihm nicht gut gehe. Ich habe ihn angerufen und bemerkt, dass er weint. Und dann habe ich gesagt: »Felix, dann hau eben den Hut drauf. Beruhig dich erst einmal ein bisschen und dann nimm den nächsten Flug und komm heim.« Aber ich glaube, es hätte ihn nie mehr in Ruhe gelassen, wenn er das Projekt nicht zu Ende gebracht hätte.
Waren Sie vorher schon einmal vor Ort bei seinen Sprüngen?
Nein, nie. Es stand auch nie im Raum, ob ich mal mitfahren sollte. Erst bei Stratos einigten wir uns früh darauf, dass wir, wenn es so weit ist, zu ihm fliegen. Und ich glaube, das war auch schon eine große Stütze für ihn, dass wir alle dabei waren. Und es war wunderschön drüben, obwohl alle so angespannt waren. Klappt es heute mit dem Start, oder klappt es morgen? Faszinierend. Und die Leute da drüben, alle, die ganze Crew, ein Traum. So familiär. Ich kann ja kein Englisch, aber alle haben mich so herzlich aufgenommen und so lieb, dass ich mich sofort wohlgefühlt habe. Und Felix hatte mir netterweise erklärt, ich solle auf jede Frage nach ihm mit dem Satz antworten: » I’m proud of my son. « Egal, was einer genau fragt. Das würde immer passen.
Wie haben Sie den Moment erlebt, als es am 14 . Oktober 2012 losging?
Das war ein Wahnsinn. Schon als er in die Kapsel eingestiegen ist, hätte ich heulen können. Die Stunden des Aufstiegs sind dann enorm rasch vergangen. Ich hätte nie geglaubt, dass diese Zeit so schnell vergehen würde.
Haben Sie ihn, bevor er losgeflogen ist, noch mal gesehen?
Ja, am Abend vorher. Wir haben gar nicht mehr viel drüber geredet, saßen einfach nur beieinander. Es war nett, und der Felix war so gelöst und zufrieden wie die ganzen Tage zuvor. Ich hatte nie das Gefühl, dass er sich fürchtet. Und dann waren, ehrlich gesagt, alle miteinander reif, dass das Projekt zu Ende geht. Also ich habe mir so gewünscht, dass es jetzt losgeht. Und Felix sowieso. Ich habe die ganze Zeit ein kleines Kruzifix in der Hand gehalten und gesagt, lieber Gott, lass es gut ausgehen. Bitte Gott, schicke ihm tausend Engel mit. Jetzt hat er so viel hingearbeitet und so viele Rückschläge erlitten, das muss gut gehen. Später habe ich dann von unseren Nachbarn daheim erfahren, dass der ganze Kirchenbeirat für ihn gebetet hat.
Und dann steht er da oben.
Und dann steht er da oben. Es gibt so ein wiederkehrendes Traumbild seit dem Sprung. Das ist für mich das Schönste, wie er da gestanden ist und wie er da oben gesprungen ist. Und so schön ist er weggesprungen. Und dann kam die Situation, vor der wir uns alle gefürchtet hatten. Er begann zu trudeln – und hat sich wieder gefangen. Von da an jubelten wir: »Jetzt passt es, jetzt passt es, jetzt hängt er am Schirm, jetzt landet er.« Ich habe gesagt, wie kann man von 39 000 Metern Höhe in die Tiefe springen und dann unten so schön dastehen. Ich würde mich einfach auf den Boden legen und sagen, macht mit mir, was ihr wollt. Aber der Felix ist göttlich gewesen.
Nachwort
Wir sprangen beide ins Ungewisse
Am 16. August 1960 stand ich am Ausgang meiner Raumkapsel, die ein großer Stratosphärenballon aus Kunststoff auf 31 300 Metern Höhe an den Rand des Weltraums gebracht hatte. Ich blickte hinab auf die freundliche Erde unter mir, wohl wissend, dass ich durch eine menschenfeindliche Zone fallen musste, ehe ich in Sicherheit war. Ich hatte Vertrauen in mein Team, in meine Ausrüstung und in mich selbst. Ich sprach ein
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