Himmelssturz
die sich unablässig selbst reparierte und mit einem Substrat arbeitete, das wesentlich feiner als das atomare Granulat war, das die Chinesen in ihren nanotechnischen Schmiedekesseln verwendeten. Vielleicht Femtotechnik auf nuklearer Ebene oder gar eine Replikationsmaschinerie, die aus den grundlegenden strukturellen Einheiten der Raumzeit zusammengeflickt war. Mit solchem Material zu arbeiten, hatte Nick Thale zu Bella gesagt, wäre ungefähr so, als würde man aus frisch gekochten Spaghetti eine funktionierende Drehbank bauen wollen.
Solche Schwierigkeiten hatten die Schöpfer des Würfels offenbar nicht entmutigt.
Bella hatte immer noch keine bessere Theorie, wer sie gewesen sein könnten. Nichts in den Geschichtsdateien deutete darauf hin, dass es Menschen gab, die in der Lage wären, etwas wie diesen Würfel zu fabrizieren. Und selbst wenn es möglich wäre, blieb immer noch die beunruhigende Frage, wie sie das Ding in den Janus-Orbit gebracht hatten.
Ganz zu schweigen von der Frage, was sie damit bezweckt haben mochten.
Hin und wieder besuchte Bella das Forschungslabor, in dem Ofria-Gomberg und die anderen den Würfel untersuchten. Es war ein weißer Raum in einem tiefen Bunker. Zwischen den Instrumenten und Sensoren stach das Artefakt wie eine Granitskulptur in einer anspruchsvollen Galerie heraus.
Der Würfel hatte immer noch etwas an sich, das eine ominöse Saite in ihr zum Klingen brachte, als würde er ihr etwas ins Unterbewusstsein flüstern, um sie näher heranzulocken. Sie konnte das Gefühl nur mit der verführerischen Macht des Wassers an einem Hafenkai vergleichen, das die Menschen dazu verleitete, hineinzustürzen.
Sie wollte nicht in den schwarzen Würfel stürzen. Sie hatte Angst vor dem, was er ihr zeigen mochte.
Auch die Ermittlungen zu den Todesumständen von Meredith Bagley waren nach einem vielversprechenden Anfang bald ins Stocken geraten. Bella war weiterhin überzeugt, die drei Missetäter identifiziert zu haben, aber sie hatte die Zuversicht verloren, dass das Anzugslogbuch als schlagender Beweis taugte, der das Gericht von ihrer Schuld überzeugen würde. Hank Dussen war nicht mehr greifbar, aber sie beabsichtigte nach wie vor, die beiden noch lebenden Männer zur Rechenschaft zu ziehen. Ihr kam der morbide Gedanke, dass sie möglicherweise dafür sorgen musste, die Verdächtigen in der Warteschlange für die Verjüngungskur nach vorn zu schieben, falls einer oder beide zu sterben drohten, bevor das Verfahren seinen Gang genommen hatte.
Der Fall benötigte weitere Beweise. Das Einzige, was ein skeptisches Gericht überzeugen würde, wären die verschwundenen Logbücher für die Außeneinsätze, aus denen ersichtlich wurde, wer tatsächlich während dieser Schicht im Dienst gewesen war. Es wurde allgemein hingenommen, dass die Dateien nicht mehr existierten, dass sie während des Flextop-Sterbens zerstört oder ganz gelöscht worden waren. Nur dass es schon ein seltsamer Zufall war. Wäre es denkbar, dass jemand die Logbücher gezielt vernichtet hatte, um die Mörder zu decken? Jeder der drei Männer hätte triftige Gründe gehabt, so etwas zu tun, aber Bella war sich nicht sicher, ob sie auch die Möglichkeit dazu gehabt hatten. Doch irgendjemand musste für die Verwaltung dieser Dateien zuständig gewesen sein. Vielleicht konnte Parry ihr helfen. Er müsste zumindest wissen, ob es für jemanden aus dem Kreis der Verdächtigen machbar gewesen wäre, die Logbücher zu manipulieren.
Sie nahm sich vor, ihn bei Gelegenheit darauf anzusprechen. Sie freute sich darauf, ihn wiederzusehen, und fragte sich, warum sie so lange Zeit überhaupt nicht mehr an ihn gedacht hatte. Die Unterhaltungen mit Parry waren immer sehr angenehm gewesen. Während der Jahre ihres Exil war er stets freundlich zu ihr gewesen, was häufig auf Kosten seiner Beziehung zu Svetlana gegangen war. Offensichtlich hatte sich in den letzten zwanzig Jahren einiges geändert, doch bei ihren seltenen Begegnungen hatte Bella nie gespürt, dass er ihr feindseliger oder kühler entgegengetreten war. Er schien sich bewusst zu sein, dass Svetlana nicht durch Bella abgesetzt worden war, sondern durch die Rückkehr von Jim Chisholm. Und Bella war natürlich sehr nachsichtig mit Svetlana und ihren Anhängern umgegangen. Von ihnen war niemand in die Verbannung geschickt worden, am Ende eines supraleitenden Kabels, wo sich Eis und Vakuum gute Nacht sagten. Sie hatte sie zwar an den Rand gedrängt, sie jeglichen Einflusses beraubt,
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