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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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aber sie hatte sie nicht ungerecht behandelt. Selbst ihre größten Kritiker konnten ihr niemals vorwerfen, Gleiches mit Gleichem vergolten zu haben, und Parry hatte nie zu ihren größten Kritikern gehört.
    Doch dann kam es am folgenden Tag zu einem Zwischenfall – ausgerechnet zu einem Beiboot-Unfall –, und sie vergaß, sich bei Parry zu melden. Weitere Tage verstrichen, dann Wochen, und wenig später drängte sich eine Abfolge von kleineren Krisen auf ihren Terminkalender. Der Fall Bagley schmorte weiter im Hintergrund, und es würde viele Jahre dauern, bis er wieder in den Vordergrund von Bellas Aufmerksamkeit rückte.
    Bis dahin war erneut jemand von den Toten zurückgekehrt.
     
    Als Mike Takahashi erwachte, hörte er sprudelndes Wasser und klingelnde Windglöckchen.
    »Hallo«, sagte Bella und hoffte, dass sie den richtigen besänftigen Tonfall getroffen hatte. »Ich bin’s, Mike – Bella. Alles ist in Ordnung.«
    Sie erinnerte sich, wie es für sie gewesen war – ein kurzer Moment der Desorientierung, dann war alles wieder an den richtigen Platz gerückt. Keine Benommenheit, keine Schwierigkeiten, die Identität wiederzufinden, einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen oder auch nur klare Bilder zu sehen. Es war ganz anders als Aufwachen, sondern eher so, als würde man nach einer intensiven, aber kurzen Meditation wieder die Augen öffnen. Nur dass sich in diesem intensiven kurzen Moment eine Unendlichkeit an Zeit und Raum konzentriert hatte – und Mysterien, die sich nicht einmal ansatzweise erfassen ließen.
    Takahashi setzte sich auf. Bella bot ihm eine Decke, um den Anstand wahren zu können.
    »Wo bin ich?«, fragte er und blickte sich um. Er klang leicht verwirrt, aber nicht mehr. »An diesen Ort kann ich mich nicht erinnern.«
    »Ich bin mir nicht sicher, woran du dich erinnerst«, sagte Bella. »Also fangen wir ganz am Anfang an. Du erinnerst dich an die Rockhopper?«
    »Ja«, sagte er ohne Zögern. »Natürlich.«
    »Und Janus?«
    Nun musste er sich besinnen, aber es dauerte nur einen kurzen Moment. »Ja«, sagte er dann.
    »Wir haben ihn verfolgt – das Letzte aus unserem Triebwerk herausgeholt. Erinnerst du dich daran?«
    Er sah sie an und sprach so leise, dass sie ihn im Plätschern des Wassers kaum verstand. »Etwas ging schief. Ich erinnere mich, dass etwas schief ging.«
    »Ja«, sagte sie erleichtert, weil es dadurch wesentlich leichter wurde. »Es gab ein Problem mit einem Massentreiber. Er löste sich vom Rückgrat und riss unterwegs einen zweiten mit sich. Das Schiff hat es überstanden, aber es gab oberflächliche Schäden an den Treibstofftanks. Wir mussten sie zusammenflicken, bevor wir die Verfolgungsjagd mit Vollschub fortsetzen konnten. Du warst im Reparaturteam, Mike.«
    »Etwas ist passiert«, sagte er. »Etwas Schlimmes.«
    »Du erinnerst dich?«
    Sie bemerkte eine kurz aufblitzende Verstörung, als hätte er sich für einen Moment an alles erinnert. Doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Was ist passiert? Warum bin ich hier?« Er blickte an sich hinab. »Mit mir ist doch alles in Ordnung, nicht wahr?«
    »Mehr als nur in Ordnung«, sagte Bella lächelnd.
    Die Perückenköpfe hatten ihn wieder zusammengeflickt, aber sie hatten ihn nicht erkennbar verjüngt. Dazu hatte kein Anlass bestanden. Er war ein junger und gesunder Mann gewesen, als er vom Sprühstein eingeschlossen worden war.
    »Ich erinnere mich immer noch nicht, was geschehen ist«, sagte er matt.
    »Du bist in weichen Sprühstein gestürzt. Du warst darin gefangen, und dein Raumanzug hat sich überhitzt. Wir konnten dich nicht mehr rausholen. Parry hat alles getan, was er konnte, aber es ging einfach nicht. Und die Zeit wurde knapp.«
    »Parry«, sagte er. »Geht es Parry gut?«
    »Parry geht es gut. Du wirst ihn bald wiedersehen.«
    »Was ist mit mir geschehen?«
    Bella griff nach seiner Hand und legte sie in ihre. Sie hatte nie einen Sohn gehabt, aber sie dachte, dass es sich ungefähr so anfühlen musste, einen Sohn während einer emotionalen Krise zu trösten. »Wir mussten irgendetwas mit dir machen. Es gab ein Verfahren, mit dem wir dich retten konnten. Es nennt sich Frostengel. Erinnerst du dich daran?«
    »Nein«, sagte er, doch sie bemerkte, wie sich seine Augen weiteten, als hätte er sich auf einer unbewussteren Ebene doch an die wesentlichen Einzelheiten erinnert. Man konnte sich niemals sicher sein, wie viel vom Erlebnis des Unfalls die Gelegenheit erhalten würde, im Langzeitgedächtnis

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