Himmelssturz
bekommst Parry zurück. Aber wenn ich diesen Zug besteige, werde ich nach Neustadt fahren und wissen, dass ich das Richtige getan habe. Wenn du gerne glauben möchtest, dass ich dir damit nur meine moralische Überlegenheit demonstrieren will, dann werde ich dich nicht daran hindern. Es wird mir kein großer Trost sein, wenn Janus explodiert.« Sie wandte sich dem Zugwaggon zu.
»Warte«, sagte Svetlana. Sie hob ihren Helm und blickte stirnrunzelnd auf das interne Helmdisplay.
»Schick Wang die zweite Hälfte der Datei«, sagte Bella.
»Warte, verdammt noch mal! Hier passiert etwas. Ich verstehe es nicht, aber …«
»Was?«, fragte Bella.
»Dem Anzug passt irgendwas nicht. Ich muss den Helm wieder aufsetzen. Sag deinen … Vögten, dass sie ruhig bleiben sollen.«
»Tu es langsam«, warnte Bella.
Svetlana setzte den Helm wieder auf. Diesmal dauerte es länger als beim letzten Mal. Als sie ihn wieder abnahm und an die Seite des Anzugs heftete, konnte Bella ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. Es war etwas zwischen Beleidigung und Angst.
»Was?«, wiederholte Bella.
»Ich weiß es nicht«, sagte Svetlana mit Verständnislosigkeit in den weit aufgerissenen Augen. »Ich weiß nur … dass ich Neustadt nicht mehr sehen kann.«
»Was meinst du damit?«
»Es ist nicht mehr da. Es ist aus dem Netz verschwunden.«
Etwas überzeugte Bella, dass es kein Trick war. Sie zog ihren Flextop hervor und schaute im Schiffsnetz nach.
Es war genauso, wie Svetlana gesagt hatte: Es gab keine Verbindung nach Neustadt.
»Etwas ist passiert«, sagte Bella.
»Ich weiß. Ich weiß, dass etwas passiert ist.«
»Es betrifft nur Neustadt. Es kann nichts mit dem zu tun haben, was die Moschushunde mit Janus anstellen.«
»Das war eine Falle«, sagte Denise Nadis. »Der ganze Plan … diese Dinger … damit sollten wir nur von der eigentlichen Schweinerei abgelenkt werden. Sie hat irgendwas mit Neustadt gemacht.«
»Das habe ich nicht«, sagte Bella mit Nachdruck. »Glaub mir, damit habe ich nichts zu tun. Vielleicht irre ich mich, und Janus wird schon in wenigen Minuten explodieren. Vielleicht sind die Ungebändigten doch schon hier und …«
»Es hat nichts mit Janus und auch nichts mit den Ungebändigten zu tun«, sagte Chromis, als sie in lebensgroßer Gestalt aus der gravierten Seite des Gedächtniswürfels trat. »Aber es handelt sich möglicherweise um eine Frage der Bändigung.«
Alle sahen sie an, nur nicht Bella. Alle konnten die Politikerin sehen.
Chromis blieb stehen und verbeugte sich. »Verzeiht meine Unhöflichkeit. Ich wünschte, wir hätten Zeit, uns miteinander bekannt zu machen. Ich glaube, Bella kann sich für mich verbürgen. Mein Name ist Chromis Anemone Laubenvogel, und ich bin schon seit sehr langer Zeit tot. Aber nehmt mir das bitte nicht übel.«
»Du bist materiell«, sagte Bella verdutzt.
»Nachdem die Vögte aufgetreten sind, ist eine weitere Geheimhaltung überflüssig geworden.« Chromis berührte den perlweißen Stoff ihres Gewandes. »Ich möchte alle Anwesenden nachdrücklich darauf hinweisen, dass ich kein körperlich existierender Mensch bin. Ich bin lediglich eine plausible Extrapolation einer längst verstorbenen Persönlichkeit. Dieser Körper ist ebenfalls nur eine Hülle aus Femtotechnik, genauso wie bei den Vögten.« Ihre Miene wurde vorübergehend traurig. »Obwohl es sich für mich sehr echt anfühlt, wenn ich meinen Erinnerungen an das Leben trauen kann.«
»Was ist geschehen, Chromis?«, fragte Bella.
»In Neustadt ist es zu einem äußerst bedauerlichen Zwischenfall gekommen.« Chromis bedachte Svetlana mit einem strengen Blick. »Es gibt dort einen Schmiedekessel. Ihr habt versucht, den Schlüssel zu produzieren.«
»Ja«, sagte Svetlana mit neu aufflackerndem Trotz, »aber das sollte kein Täuschungsmanöver sein. Ich habe mich einverstanden erklärt, Wang die Konstruktionsdatei zu geben. Ich habe nie behauptet, dass ich sie nicht selber nutzen würde. Ich dachte mir, dass das die klügste Vorgehensweise wäre.«
»Ich fürchte, ihr habt euch damit in … gewisse Schwierigkeiten gebracht«, sagte Chromis.
»Ich verstehe nicht, was hier los ist«, sagte Svetlana wütend. »Sag mir endlich, was mit Neustadt passiert ist. Meine Tochter ist dort. Ich möchte wissen, dass es ihr gut geht.«
»Möglicherweise nicht«, sagte Chromis nur.
»Rede mit mir!«, verlangte Svetlana.
»Zur Herstellung des Schlüssels ist Femtotechnik nötig. Die Moschushunde haben dich vielleicht vor
Weitere Kostenlose Bücher