Himmelssturz
wir auch ohne sie einige Fortschritte gemacht, aber wer will behaupten, dass es nicht Jahrzehntausende gedauert hätte statt der wenigen Jahrtausende, die tatsächlich nötig waren? Vielleicht gäbe es kein Mosaik aus Staatswesen, die sich über fast zwölftausend Lichtjahre in der Galaxis ausgebreitet haben, sondern wir wären auf eine Handvoll Sonnensysteme beschränkt, mit all den Risiken, die eine so enge Ballung unvermeidlich mit sich bringen würde. Und wir wollen nicht die Erkenntnisse vergessen, die es uns erlaubt haben, Jahrhunderte langsamer Entwicklung zu überspringen, ein Geschenk, das wir ohne Erwartung einer Gegenleistung erhalten haben. Unsere Wohltäterin schickte die Daten zur Erde zurück, weil es einfach das Richtige war.« An dieser Stelle schluckte Chromis, da nun manche – nicht ungerechtfertigt – denken mochten, dass die Menschheit durch genau diese Daten beinahe ausgelöscht worden wäre, als sie sich bemühte, das gefährliche neue Wissen zu assimilieren. Aber aus einer Entfernung von achtzehntausend Jahren waren solche Gedanken einfach nur unangemessen. Die Menschen hatten sich zweifellos etliche Male die Finger verbrannt, bevor sie gelernt hatten, mit Feuer umzugehen.
Chromis hörte widerwilliges Murren, doch niemand rang sich dazu durch, sie zu unterbrechen. Sie wappnete sich und sprach weiter. »Ich weiß, dass manche von uns vergessen haben, worin genau dieser wohltätige Akt bestand. Ich hoffe, dem kollektiven Gedächtnis in wenigen Augenblicken nachhelfen zu können. Aber zuerst möchte ich detailliert darlegen, was ich im Sinn habe.«
Sie reckte den Hals, um einen Blick zum Bildkubus zu werfen. Auf dieses Stichwort wurde ihr Gesicht von einer Simulation der Galaxis ersetzt, wie sie aus weiter Entfernung aussehen würde – uralt und gewaltig, übersät mit den ehrfurchtgebietenden Relikten der Spicaner, doch ansonsten, soweit bekannt war, bar jeden Lebens, abgesehen vom Tintenklecks der Menschheit, der sich über einen Spiralarm ausbreitete.
»Die Wohltäterin und ihre Leute sind immer noch irgendwo da draußen«, sagte Chromis, »mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb der Datengrenze, vielleicht sogar außerhalb der Galaxis. Aber sofern das Universum nicht mehr Tricks im Ärmel hat, als wir vermuten, können sie nicht weiter als achtzehntausend Lichtjahre entfernt sein, selbst wenn sie sich immer noch von uns fortbewegen. Vielleicht haben sie sogar schon das Ziel ihrer Reise erreicht. Auf jeden Fall geziemt es sich für uns, zu versuchen, ihnen eine Botschaft zu schicken. Aber nicht in körperloser Form, auch wenn diese Lösung am einfachsten und billigsten wäre, sondern als materielles Artefakt, ein Objekt, das wir mit Daten vollstopfen, bis wir an Heisenbergs Hintertür anklopfen. Natürlich gibt es ein unübersehbares Problem mit einem materiellen Artefakt im Gegensatz zu einem ungerichteten Signal. Wir wissen nicht, wohin wir das Objekt schicken sollen. Aber dann bringen wir einfach eine große Zahl von Artefakten auf den Weg. Wir werden sie zu Milliarden herstellen und in alle Himmelsrichtungen verstreuen. Und hoffen, dass eins von ihnen eines Tages den beabsichtigten Empfänger erreicht.«
Das war das Stichwort für Rotfeders Einwurf. »Auf dem Papier klingt das alles schön und gut, Abgeordnete Chromis, und ich bezweifle auch nicht, dass wir die industriellen Kapazitäten haben, um so etwas zu verwirklichen. Aber ich frage mich, ob Sie die Gefahr bedacht haben, dass ein solches Objekt in die falschen Hände gelangen könnte. Nicht alle unsere Nachbarn sind so aufgeklärt, wie wir hoffen. Wir haben auch so genug Schwierigkeiten, das Moratorium zur Unterbindung schädlicher Technik durchzusetzen. All unser weltliches Wissen in eine Flaschenpost zu stecken und sie ins große blaue Meer zu werfen, wäre in meinen Augen nicht unbedingt die klügste Vorgehensweise, mag die Geste noch so gut gemeint sein.«
»Daran haben wir gedacht«, sagte Chromis.
»Aha? Und was ist Ihnen dazu eingefallen?« Rotfeder täuschte unbedarftes Erstaunen vor.
»Die Artefakte werden so konstruiert, dass ihr Inhalt vor nicht befugten Empfängern geschützt ist. Sie werden sich erst dann öffnen, wenn sie die Anwesenheit von Mitochondrien-DNS der Wohltäterin registrieren. Natürlich werden wir eine geringfügige Abweichung dulden, denn wir wollen nicht die Kinder oder Enkel der Wohltäterin ausschließen – auch nicht noch entferntere Nachkommen. Aber niemand sonst wird in der Lage
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