Himmelssturz
nächste Zentimeter würde noch schwieriger werden. Mit der rechten Hand öffnete er eine Klappe am rechten Arm seines Anzugs. Mit zwei klobigen Handschuhfingern zog er ein Kabel aus Fiberglas heraus und reichte Belinda Pagis den Stecker am Ende der Leine. Sie nahm ihn mit einem Nicken an und drückte ihn in eine kompatible Buchse in ihrem Anzug.
»Wir kriegen ihn hier nicht rechtzeitig heraus, nicht wahr?«, sagte sie.
»Vollständig ausgehärteten Sprühstein können wir nur mit Lasern oder Schneidbrennern abtragen. Aber wenn wir den Tornister beschädigen, bevor wir seine Beine freigelegt haben, ist er tot.«
Hinter ihrem Helmvisier zuckten Pagis’ Augen besorgt hin und her. »Wir brauchen mehr Zeit.«
»Wir haben nicht mehr Zeit.«
»Vielleicht könnten wir hier ein Druckzelt aufbauen«, sagte sie. »Wenn wir ihn …«
»Wir könnten es nicht luftdicht abschließen, wo es den Sprühstein berührt«, sagte Parry.
»Dann benutzen wir eben Sprühstein und bauen eine Art Iglu um ihn herum. Wir lassen eine Öffnung in der Spitze, die wir versiegeln, dann pumpen wir Luft hinein.«
»Gar nicht so einfach, selbst unter Schwerkraft.«
»Irgendwas müssen wir tun.«
»Ich denke nach«, sagte Parry. Wieder bemerkte er eine Bewegung am Rand seines Gesichtsfelds. Ryan Axford stapfte vorsichtig über den Sprühstein. Er hatte einen orangefarbenen Arztkoffer dabei. Wolinsky und Herrick halfen ihm, sich relativ zur Kruste aufrecht zu halten. Der Mediziner hatte sein Trainingsminimum im Raumanzug absolviert, aber ihm fehlte die entspannte Beweglichkeit, die sich nach mehreren tausend Stunden im Außeneinsatz einstellte. Als Parry die Glasfaserverbindung zu Pagis trennte und auf den allgemeinen Kanal zurückschaltete, hörte er als Erstes Axfords viel zu schwere Atmung.
Er klang noch schlimmer als Takahashi.
Axford bugsierte sich vor den Eingeschlossenen, ging in die Knie und verankerte sich mit den Haftflächen an seinem Anzug. Er fixierte den Koffer am Boden und ließ die klobigen Verschlüsse aufschnappen. Darin befanden sich ein dicht gepacktes glänzendes Sortiment medizinischer Ausrüstung und drei große Druckluftflaschen. Auf einem metallblauen Behälter war ein stilisierter Engel aufgesprüht.
Takahashis Rückentornister steckte immer noch größtenteils fest, aber sein wesentlich kleinerer Brusttornister war vollständig freigelegt. Axford öffnete die Plastikklappe, die die Diagnoseeinheiten des Anzugs schützte. Er legte eine Hand an die Helmscheibe, um seine Augen vor dem hellen Schein abzuschirmen, als er versuchte, die zitternden Histogramme und schlangenförmigen Pulslinien zu erkennen. Mit überraschender Geschicklichkeit tippte er Befehle in das kleine Keyboard neben der Anzeige und ging mehrere Menüoptionen durch.
Nach einer Weile machte er eine kurze Pause, in der er aufschaute und den Blickkontakt zu Takahashi suchte. Axford nickte einmal. Damit gab er zu verstehen, dass er keine Wunder versprach, aber alles tun würde, was in seiner Macht stand.
Dann wandte Axford sich an Parry und tippte mit einem Finger auf seinen Ärmel. Parry zog wieder das Glasfaserkabel heraus und stellte eine Verbindung her.
»Das muss er nicht mithören«, sagte Axford. »Es sieht gar nicht gut aus. Er leidet bereits unter dem ersten Stadium der Erschöpfung durch Überhitzung. In seinem Anzug herrscht Tropenklima.«
»Und es wird noch heißer werden«, sagte Parry.
Axford betrachtete das Ergebnis des Ausgrabungsversuchs. »Ihr bekommt ihn nicht raus, nicht wahr?«
»Nicht ohne weiteres.«
»Dann muss ich ihn vielleicht euthanasieren.«
Parry glaubte sich verhört zu haben. »Wie bitte?«
»Ich kann ihn sehr schnell betäuben, wenn ich seine Atemluftmischung ändere. Er hat bereits große Schmerzen.«
»Moment mal.« Parry bemühte sich, seine Stimme nicht hysterisch klingen zu lassen. »Du sprichst davon, ihn zu töten?«
»Ich spreche davon, die Aktivität seines zentralen Nervensystems auszuschalten. Wir machen es schnell und sauber, dann brechen wir den Anzug auf und pumpen ihn mit Schwefelwasserstoff voll.« Axford tippte auf den metallblauen Gasbehälter. »Er wird schnell abkühlen. Dann schneiden wir ihn heraus. Wenn wir ihn ins Schiff zurückgebracht haben, werde ich den noch übrigen Blutsauerstoff in seinem Körper mit einer Salzlösung herausspülen.«
»Und dann wirst du ihn wiederbeleben?«
»Nein. Dazu bin ich nicht fähig. Damit müssen wir warten, bis wir wieder zu Hause sind.«
»Mein
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