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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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Ausdruck seines klugen Gesichts söhnte sie aus.
    »Sprich nur weiter,« sagte sie freundlich, »es schadet ja nichts.«
    »Es schadet nichts ...« wiederholte der Enterich langsam und dann schwieg er. Aber mitten in seinem Groll kam ihm in den Sinn, daß seine Frau in diesem Frühjahr ihre Jungen gegen einen Habicht verteidigt hatte; sie, das kleine schwache Tier, ohne Krallen und mit einem stumpfen Schnabel, der nur zum Wühlen im Schlamm und bestenfalls zum Festhalten eines kleinen Fisches oder eines Wurms geeignet war. Sie war dem Raubvogel mit einem wilden Geschrei entgegengeflogen, das er noch niemals von ihr gehört hatte, und ihre Flügel peitschten die Luft, daß es sauste. Das Herz des Enterichs schlug, als er an diesen Augenblick dachte; die Jungen hatten Zeit gehabt, ins Schilf zu flüchten, und dann plötzlich, als alle in Sicherheit waren, war seine Frau so rasch im Wasser verschwunden, als hätte ein großer Hecht sie hinabgerissen. Später hatte sie rasch ihre Kleinen wiedergefunden, und sie waren ihnen erhalten geblieben, die acht.
    »Nun gut,« sagte er, »ich werde also weitersprechen.« Aber er kam nicht dazu, denn es geschah etwas sehr Merkwürdiges: über ihnen wurde ein feines Klatschen hörbar, und eine helle Stimme rief:
    »Fliegt auf! Fliegt auf!«
    Nun, das taten die beiden Enten sogleich mit lautem Geschrei und Flügelschlagen, so daß das Wasser aufspritzte und das Schilf rauschte. In der Natur warnen alle befreundeten Tiere einander durch Zurufe, und da die Enten die Stimme verstanden hatten, folgten sie sofort der Warnung. Sie wußten nicht, daß es der Elf gewesen war, der in die Hände geklatscht hatte, und noch weniger ahnten sie, weshalb er es getan, und in welch entsetzlicher Gefahr sie geschwebt hatten. Denn kaum machten ihre Flügel den ersten wuchtigen Schlag, der sie emporriß, als durch das Schilf mit einem langen Satz der Fuchs aufsprang und ihnen enttäuscht und zornig nachschaute. Er hatte sie bis auf knapp drei Entenlängen bereits erreicht, niemand kann leiser durch das Schilf schleichen als ein Fuchs, aber mit dem Elfen hatte er in keiner Weise gerechnet.
    »Was fällt Ihnen ein!?« rief er grimmig empor zu dem Ast, auf dem der Elf sich schaukelte und lachend zu ihm niedersah. »Glauben Sie, ich jage hier zu meinem Vergnügen? Wie kommen Sie dazu, sich in meine Angelegenheiten zu mischen?«
    Wie böse er dreinschaute! Sein kluger Kopf mit der schmalen, langen Schnauze und den lebhaften, dunklen Augen sprühte geradezu von Kraft und Haß, die herrliche Farbe zeichnete sich klar vom grünen Untergrund des Schilfs ab, und die prächtigen hohen Ohren waren weit zurückgelegt, was ihm oft passierte, wenn er ärgerlich war. »Kommen Sie nur herunter, Sie weißes Federvieh, ich reiße Sie in Stücke, daß Sie auffliegen wie Pusteballen vom Löwenzahn. So was!«
    Da schwang sich der Elf ins Schilf nieder und setzte sich gerade vor die Nase des Fuchses auf einen Halm, dicht vor die blitzenden weißen Zähne, die gefährlich aus den schmalen schwarzen Lippen hervorblitzten.
    Der Fuchs prallte zurück. »Sie sind mir zu hell,« sagte er bestürzt, »sonst ... nun, Sie würden etwas erleben!«
    Der Elf strich sein Haar zurück. Er hätte nie geglaubt, daß der Fuchs ein so schönes Tier sei. »Sei nicht mehr böse,« sagte er, »ich weiß selbst nicht, wie es über mich gekommen ist, ich habe im Augenblick nur an die Enten gedacht, sie taten mir leid. Natürlich bist du im Recht, auch du willst leben.«
    »Allerdings«, sagte der Fuchs befangen. Er starrte den Elfen an, als sähe er Wunder.
    »Wer sind Sie?« fragte er, und seine runden Augen unter der gerunzelten Stirn drückten in gleichem Maße Erstaunen wie Bewunderung aus. »Hell wie der Himmel, ein kleiner Mensch und zugleich ein geflügeltes Wesen sind Sie.« Er schüttelte den mächtigen Raubtierkopf, in dessen Rachen der Elf in einem Augenblick hätte verschwinden können. Aber seine Unbefangenheit und seine Schönheit beschwichtigten den Zorn des Fuchses völlig, wie Schönheit und Unbefangenheit in der Welt nun einmal die stärksten Waffen gegen das Böse sind.
    »Ich bin ein Elf. Denke dir, ich saß dort im Busch, als die Enten kamen, und hörte ihnen zu. Kannst du verstehen, daß ich Teilnahme für die Tiere fühlte, da ich ihnen doch längere Zeit gelauscht hatte? Es geht einem zuweilen so, und ich hätte sie nun nicht unter meinen Augen sterben sehen können.«
    Der Fuchs hörte kaum zu, die Enten waren ihm völlig

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