Himmelsvolk
gleichgültig geworden. Als ob er nicht Enten fangen konnte, sooft er wollte, aber ein Elf saß vor ihm, ein Blumenelf! Er hatte bisher auf das bestimmteste geglaubt, Elfen kämen nur in alten Geschichten vor, in Märchen oder bestenfalls nachts im Mond über den Blumen, dann weiß man nie recht, was Wirklichkeit oder Traum ist, denn in seinem geisterhaften Licht werden alle Dinge geheimnisvoll. Aber nun saß dort in der hellen Sonne, im Grünen, leibhaftig ein Elf vor ihm; es war sicher einer, so viel wußte er auch, was sollte denn dieses zarte Lichtwesen sonst sein, die Geschöpfe des Waldes kannte man doch. Was ihn aber am meisten in Erstaunen setzte, war die Tatsache, daß der Elf nicht im geringsten ihm mißtraute oder ihn fürchtete. Kannte er denn seinen Ruf nicht, alle die bösen Geschichten, die die Waldleute sich über ihn erzählten, über seine Tücke, seine Schlauheit und seine Raubgier? Kein Tier der Wälder war gefürchteter und gehaßter als er, und nun saß dieser kleine Himmelsbote vor ihm, als sei er seinesgleichen. So dachte sich der Fuchs: Es ist schon besser, ich zeige mich gleich so böse, wie ich bin, als ein schlauer Räuber und mächtiger Waldherr, später erfährt der Elf es ja doch, und ich erlebe, was ich so oft erlebt habe, daß er mir weder traut noch glaubt und sich enttäuscht von mir abwendet. Es ging ihm, wie es oft gescholtenen Leuten bisweilen ergehen kann, er hatte die Lust daran verloren, anders als böse zu erscheinen. Und so sagte er denn und knurrte mürrisch:
»Ich bin der Fuchs, Reiner heiße ich, der Wald kennt mich.«
Der Elf ahnte die Gedanken seines neuen Bekannten nicht. Ganz hingerissen von Entzücken, trat er dicht an ihn heran und strich mit der Hand über das warme, weiche Fell, das in der Sonne glänzte und so sorgsam gepflegt war, daß auch nicht ein Härchen hervorstand.
»Herrlich,« sagte er, »ganz herrlich!« Er konnte sich nicht satt sehen an diesem wohlbestellten Körper, der schmal und zugleich kräftig war, geschmeidig und anmutig. Die hochstehenden spitzen Ohren waren außen von tiefstem Schwarz und innen weiß, ebenso war seine Brust von reinstem Weiß, und die schlanken Pfoten an den feinen Gelenken verrieten ihr Geschick sowohl zu leisem Tritt wie auch zu wuchtigem Sprung. Der breite, buschige Schwanz war sicher seine schönste Zierde, er lag rund im Gras, an den Körper angeschmiegt und leuchtete geradezu in seiner roten Waldfarbe.
»Du bist der Mächtigste im Wald,« sagte er leise, fast als spräche er zu sich selbst, »niemand vermag dir zu widerstehen.«
Der Fuchs war sehr überrascht, daß ihm diese Tatsache nicht wie gewöhnlich zum Vorwurf gemacht wurde.
»Es ist wahr«, sagte er und lächelte ein wenig überlegen, aber durchaus nicht böse. »Ich tue, was ich will, aber dadurch habe ich noch bei niemandem Gefallen erregt.«
»Jeder lebt auf seine Weise«, sagte der Elf nachdenklich. »Hast du keine Feinde, die du fürchtest?«
»Den Menschen,« antwortete der Fuchs, »sonst möchte ich wissen, wer es wagt, mir in den Weg zu treten.«
»Gestern sah ich einen Bussard,« erzählte der Elf, »der große Raubvogel flog zwischen den Baumstämmen dahin, lautlos und gewichtig, und suchte den Boden ab. Wenn er nun dich fände, was würde geschehen?«
Der Fuchs lächelte. »Er würde sich besinnen, ehe er mir zu nahe käme,« sagte er, und in seinen Augen blitzte ein böses Licht auf, »aber im allgemeinen lassen wir einander unsere Wege, der Wald ist reich. Außerdem gibt es Taubenschläge, Enten- und Hühnerhöfe, Kaninchenställe und Gänse auf den Wiesen.« Er blinzelte dem Elfen zu, aus seinen Augenspalten kam ein schräger, verschlagener Blick.
Aber obgleich der Elf wußte, daß diese Tiere den Menschen gehörten und ihn der Blick des Fuchses bis ins Herz erschreckte, wuchs seine Bewunderung für das mächtige Waldtier, und ihn erfaßte ein heimlicher Schauer vor der Klarheit dieser kalten, schönen Augen. Gerade wie jetzt eben der Fuchs vor ihm stand, ein wenig zurückhaltend in der Neigung des Kopfes und das Licht auf dem geschmeidigen Nacken, während der eine zierliche Vorderfuß mit unbeschreiblicher Anmut in einen Winkel emporgezogen war, bot er ein Bild, das Wunder von Lebensfülle, Kraft und Schönheit ausstrahlte. Und der Elf mußte denken: O du herrlicher Wald! In deinem feuchten Schatten über dem sanften Moos, oder im goldenen Licht unter deinen Zweigen, in deinem Dickicht und hoch über deinen grünen Kronen schwebt und
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