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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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Wasser, als ob der Wind sie bewegte.
    Die Ente machte halt, suchte Grund für ihre breiten Schwimmfüße und blieb dicht am Ufer stehen.
    »Ich werde hier einen Augenblick verweilen«, sagte sie zu ihrem Gatten und schüttelte sich. Ihr Mann sah hinüber, nickte ihr zu, kam dann auch und stellte sich neben sie.
    »Darüber fällt es einem mal wieder ein,« sagte er in bester Laune, »was wir Enten alles können. Es gibt kein Tier, das so viel kann, man darf sie alle nacheinander durchdenken, es findet sich keines, das zugleich schwimmen und fliegen, auf dem Trocknen gehen und im Wasser sitzen kann. Denke an die Fische, meine Liebe,« fuhr er fort, »sie können schwimmen, das ist wahr, aber nur unten. Hast du einmal einen Fisch gesehen, der schwamm, während er den Kopf aus dem Wasser streckte?«
    »Wenn du von Fischen sprichst,« antwortete die Ente, »so muß ich immer an die kleinen denken, die man essen kann, wenn es einem gelingt, sie zu fangen.«
    Aber ihr Mann ließ sich nicht stören.
    »Du bist so sprunghaft in deinen Gedanken,« sagte er, »niemals kannst du bei einer Sache bleiben. Höre jetzt genau zu.«
    »Du sprichst ja auch von verschiedenen Sachen,« antwortete seine Frau, »hast du nicht vom Schwimmen, Fliegen und vom Gehen zugleich gesprochen?«
    »Ich habe von den Eigenschaften der Enten gesprochen, meine Liebe, und nicht vom Essen. Für dich haben, scheint es mir, nur Dinge Bedeutung, die man hinunterschlingen kann.«
    »Ißt denn etwa du selber nichts?« fragte seine Frau und schüttelte ihren Schnabel, als wenn sie den ganzen Kopf fortschleudern wollte. »Du hast einen Appetit, von dem man überall spricht, wo du bekannt geworden bist.«
    »Aber natürlich, Liebe ...«
    »Nun, siehst du? Was ist also?«
    »Ach Gott ...« sagte der Enterich.
    Sie waren schon lange zusammen, die beiden, und lebten eigentlich recht glücklich miteinander, das hätte niemand anders sagen können, aber ohne Zweifel war der Enterich eine Natur, die die Dinge gern beschaulich betrachtete. Er machte sich seine Gedanken über dies und das und sprach sie nachher auch aus, damit sie nicht umsonst gedacht worden waren. So kam es, daß er sich oft mit allerlei beschäftigte, was nicht unbedingt zu den praktischen Lebensfragen gehörte. Seine Frau dagegen hielt sich mehr an das, was man wirklich unter die Flügel oder in den Schnabel nehmen konnte. Das war ihm oft schmerzlich, gewiß, aber er hatte doch ein verständiges Einsehen dafür, daß man mit Gedanken allein keine Würmer aus dem Ufersumpf ziehen konnte, und daß einem kein junger Frosch in den Schnabel schwamm, weil über diesem Schnabel ein gediegener Gedanke über das Leben entstanden war. Aber kleine Reibereien gab es natürlich doch; denn Leute, die oft und gern über das Leben nachdenken, halten meistens viel von ihren Gedanken und haben gern, wenn man sie anhört und auch etwas davon hält.

    »Also, Liebe,« fuhr er nun fort, »nun höre mir einmal zu. Ich habe nicht die Absicht gehabt, mit dir über das Essen zu streiten, sondern ich wollte dir einmal wieder so recht deutlich ins Bewußtsein bringen, was für ein gesegnetes Geschlecht im Grunde wir Enten sind. Das erhöht die Lebensfreude, meine Gute.«
    »Ja, aber meinst du denn,« entgegnete die Ente, »daß wir Lebensfreude empfänden, wenn wir nichts zu essen hätten?«
    »Himmel und Wolkenbruch,« rief der Enterich, »jetzt hältst du aber den Mund!«
    »Ach, du lieber Gott,« schluchzte die Ente, »nun wirst du grob und beschimpfst mich, während ich nur das Beste gewollt habe. Sag’ wenigstens nicht Mund, sondern Schnabel, wie es sich für eine anständige Ente gehört.«
    »Wenn du ihn hältst, so will ich ihn nennen, wie er heißt, aber begreife endlich, was mir im Sinn liegt! Schon als ganz kleines Tier war ich so, daß ich längere Zeit über alles nachdenken mußte, was ich sah oder erlebte; wenn ich dir schildern könnte, wie tief mir alle Eindrücke gegangen sind! Das Schilf in der Sonne, die Flußfahrt durch den Kiefernwald oder der erste Flug über Land. Vom Tauchen schweige ich, ich dachte damals im durchsichtigen Wasser, kein Tier ist so glücklich wie eine junge Ente. Den Schnabel im Morast und die Beine gegen die Sonne, ach, Liebe ...«
    Die Ente betrachtete ihren Gatten, wie er da stolz und fest im Uferwasser saß, und wie die kleinen Bachwellen die herrlichen blauen Streifen seines Flügels bespülten; die Beine schimmerten rötlich durch die Flut, und der ungemein wohlwollende

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