Himmelsvolk
andere bedrängt. Immer höher und höher entwickelt die Natur ihre Geschöpfe, ist ihr nicht schon der Mensch gelungen?«
Der Fuchs blieb stehen. »Du hältst etwas vom Menschen, Elf?«
»Viel, sehr viel, am meisten.«
»Und glaubst du, der Mensch bedrängte die lebendigen Wesen der Natur nicht?«
»Doch,« antwortete der Elf, »er tut es, aber es gibt Menschen, die leiden darunter, daß sie es tun, das ist schon viel näher dem großen Ziel. Du wirst mich nicht verstehen, aber glaube mir, die Erde ist noch sehr, sehr jung, wir können nur ahnen, wie herrlich ihr letztes Kleid sein wird. Wenn nicht einst alles vollkommen würde, so würden wir nicht dies Verlangen danach im Herzen haben, das alle Kreatur bewegt. Die einen wissen es, die anderen ahnen es nur, viele tun nicht einmal das, aber alle richten ihre Augen hinauf, zum Licht.«
»Wenn du recht haben solltest,« entgegnete der Fuchs, »so kann ich mir aber kaum denken, daß es später noch Füchse und Enten gibt, Raubtiere und arglose Geschöpfe, die ihre Beute werden. Oder es kommt auf die Brombeeren heraus, und da tue ich, wie gesagt, nicht mit. Ich danke für ein Friedensreich, in dem ich den ganzen Tag darüber froh sein soll, daß ich keine jungen Hasen fresse.«
Der Elf lachte wieder sein seltsames Lachen, und der Fuchs dachte: Ein merkwürdiger Elf, er lacht über mich, und ich fühle mich doch nicht verletzt, er weiß es besser als ich und achtet mich doch hoch, er ist überlegen und doch wie ein Kind, ein merkwürdiger Elf. Aber er war neugierig geworden, und da ein Fuchs zu den klügsten Tieren gehört, die es gibt, wird es sich begreifen lassen, daß ihm viel daran lag, den Elfen zu verstehen. Es ist wahr, oft verletzt die Wahrheit, aber man kann die Wahrheit auch sagen, ohne zu kränken, denn die großen Wahrheiten verletzen nicht, sondern nur die kleinen.
»Es gibt viele Menschen,« fuhr der Elf fort, »die stellen sich den Himmel ebenso vor wie du. Sie denken sich, sie müßten in weißen Kleidern einhergehen und allerlei Gutes tun, das ihnen langweilig ist, und mit feierlichen Gesängen den lieben Gott loben, der auf einem Thron sitzt und sich an ihren schönen Stimmen freut. So ist das Friedensreich nicht, nach dem wir alle uns sehnen, wenn das Ungemach des irdischen Lebens uns bedrückt. Es ist immer mitten unter uns, denn wir sind alle auf dem gleichen Wege, die Menschen, du und die kleinen Gewächse, die du im Schreiten mit den Füßen berührst. Ich habe vorhin deine Gestalt bewundert, deine wohlbestellten Sinne, deinen klaren Blick und eben noch dein Geschick, nur aus einem Geräusch ein Tier zu erkennen. Sieh, dies herrliche Leben in dir wird sich einst zum Vollkommenen vollenden; was heute so klug Geringes erkennt, wird einst alles erkennen, was heute als Frohsinn in deinem warmen Blute pocht, wird einst als unvergängliche Freude emporblühen, und indem du lebst in deiner Freiheit, lebt in dir die treibende Kraft zur ewigen Harmonie. Dein Wert ist dein Himmel, er ist unvergänglich, und so gehörst auch du dem Reich an, von welchem mein Herz träumt.«
»Das läßt sich hören,« sagte der Fuchs, »woher weißt du das?«
Der Elf sah verwirrt auf. »Ich weiß so wenig,« sagte er schüchtern, »ach, denke doch nicht, ich wüßte etwas Rechtes, ich muß so denken, weil ich alles Lebendige lieben muß, immer und immer spricht in mir meine Liebe ihre eine Wahrheit, und sie lautet: Alles wird einst gut sein, was heute schön ist.«
»Daß du das alles gerade mir sagst, finde ich besonders freundlich«, meinte der Fuchs. Er sah auf und lauschte. »Entschuldige mich einen Augenblick,« bat er, »siehst du dort drüben den bemoosten alten Baumstumpf? Der Ort ist mir schon lange verdächtig, aber ich komme nicht hinter sein Geheimnis. Gestatte, daß ich eben hinüberschaue, es liegt ein Geruch in der Luft, der mich erregt.«
Er trabte über das Moos unter die Stämme, man vernahm keinen Laut; selbst ein Schmetterling, der sich auf einer Brombeerblüte niedergelassen hatte, erhob sich nicht. Der Elf begleitete den Fuchs, wie eine wehende weiße Blüte glitt er durch den rötlichen Abendsonnenschein.
Er sah, wie der Fuchs vorsichtig den Baumstumpf umschritt, der Ausdruck seines Gesichts war gespannt und besorgt, und plötzlich legte er beide Ohren zurück, und sein Körper nahm eine drohende Haltung an. Es schien nun nicht mehr so, als spürte er einer Beute nach, sondern als erwartete er einen Feind. Er wandte sich nach dem Elfen um,
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