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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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wandelt und schweift es umher in ungezählten Formen der reichen Natur. Und er mußte an die Sonne denken, die alle diese lebendigen Wunder der Erde wärmte und entzückte, die sanften und die rauhen, die arglosen wie die blutgierigen, und sein Herz erzitterte aufs neue in überquellender Seligkeit, daß er mitten unter allen Geschöpfen weilen durfte, atmend und schauend, ihre Art erkennend, ihr Wesen begreifend und vom Dasein entzückt wie sie. Es erfaßte ihn jählings ein fremdartiges Heimweh, auch einst sterben zu dürfen wie sie, nur um ihnen in ihrem Geschick nah zu bleiben.
    Der Fuchs betrachtete den Elfen aufmerksam und erstaunt. Nun ist es so bestellt, daß, wenn ein Herz von einer Freude erfüllt ist und ganz selbstvergessen in ihr erglüht, so strahlt sie aus den Kammern des Herzens hervor, bis in die Züge des Gesichts, wie durch Glas, und füllt die Augen mit Licht. Es ist viel schwerer, eine Freude für sich zu behalten als einen Schmerz.
    Was hat er nur, dachte der Fuchs, ich zeige ihm, wie gefährlich ich bin, und er wird immer beglückter. Das wunderte ihn, und er beschloß, den Elfen geradeheraus zu fragen, wie er über ihn dächte.
    »Mein Lieber,« sagte er zögernd, »weißt du eigentlich nicht, wie man im Wald über mich denkt?«
    »Warum tötest du Tiere?«
    Der Fuchs erschrak. Er wußte nicht, worauf der Elf hinauswollte, aber er merkte nun, daß er wohl über ihn und seine Eigenart unterrichtet war.
    »Um zu leben«, antwortete er.
    »Tötest du niemals ohne Grund?«
    »Nein,« sagte der Fuchs, »das wäre nicht klug. Ich nehme, was ich für mich und die Meinen zum Leben brauche.«
    »Es gibt kein Geschöpf in der Welt, das es anders macht,« entgegnete der Elf, »deshalb laß es dir keine Sorge sein, wie andere über dich denken.«
    Der Fuchs schaute seinen kleinen Nachbar groß und ruhig an: »Ich habe niemals anders empfunden,« sagte er ernst, und der Ausdruck von Verschlagenheit war völlig aus seinem Gesicht verschwunden, »ich wünschte mir nur, alle dächten so wie du.«
    Sie schritten miteinander den Bach entlang aufwärts. Die Nachmittagssonne schien durch die Kiefern durch einen feinen grauen Schleier, den sie golden färbte, so daß die Stämme wie in einem Traumland standen. Es war so kühl und still, daß die Augen sich nicht bewegen mochten, als müßte das friedliche Bild des Waldes sich so bunt in ihnen spiegeln, wie es in der Luft entstand. Die ersten Krähen zogen heim, man hörte ihre Stimme über sich in der Höhe.
    »Einmal kommt eine Zeit,« sagte der Elf, »da werden alle Geschöpfe so übereinander denken. Sie wird wiederkommen. Es gibt eine uralte Sage der Menschen, nach welcher es einmal so gewesen ist.«
    »Davon habe ich gehört«, sagte der Fuchs spöttisch. »Da spielte die Ziege mit dem Löwen Verstecken, und die Wölfe fraßen Brombeeren. Ich danke.«
    Der Elf lachte.
    »Es wird dich niemand überreden, Brombeeren zu essen,« antwortete er, »gerade darin wird die Eintracht bestehen, daß jeder die Eigenart des anderen versteht.«
    »Ich verstehe die Eigenart der Hasen sehr gut,« sagte der Fuchs und schielte zu seinem Begleiter hinüber, »wenn nur die Hasen auch meine verstehen wollten und sich fressen ließen, wäre alles gut.«
    Wieder mußte der Elf lachen, aber die Freude, die aus seinem Lachen klang, hatte etwas seltsam Zuversichtliches, es schien nicht so, als ob die Antworten des Fuchses ihn in seinem Glauben irre machten.
    »Du bist schlau,« sagte er und schaute dem großen Gefährten in die wachen Augen, »mit dir ist nicht leicht zu streiten, du siehst alle Dinge so, wie sie dir recht sind, und was dir nicht gefällt, das nennst du die Fehler der anderen. Aber ich habe doch recht, das letzte Ziel des Lebendigen ist eine große Harmonie, eine Freude ohne Ende.«
    »Willst du darauf warten?« fragte der Fuchs. Aber er achtete nicht auf die Antwort, er wandte den Kopf blitzschnell zur Seite, denn es raschelte im Gebüsch. »Eine Maus«, sagte er leise und hob den Vorderfuß.
    »Woher weißt du das?« fragte der Elf.
    »Ich höre es«, antwortete der Fuchs einfach. Es schien, als wäre er auf seine scharfen Sinne nicht einmal besonders stolz. »Lassen wir sie,« meinte er und ging weiter, »das muß eine schlechte Zeit sein, in der der Fuchs Mäuse frißt.«
    »Siehst du«, sagte sein Gefährte leise.
    »Was soll ich denn sehen?«
    Der Elf antwortete: »Und viel später wird es eine Zeit geben, welche schlecht nennt, wenn nur ein Wesen noch das

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